Der Zauberlehrling Goethe Interpretation
Die Ballade "Der Zauberlehrling", geschrieben von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1797, handelt von der Wiss- und Machtbegier und der damit verbundenen Selbstüberschätzung eines jungen, unerfahrenen Zauberlehrlings, der in Abwesenheit seines Meisters versucht, einen Besen zu seinem wasserholenden Knecht zu machen und letztlich alleine mit der von ihm unterschätzten Gefährlichkeit der Situation nicht fertig wird.
Während der Hexenmeister, dessen Lehrling der Ich-Erzähler dieser Ballade ist, unterwegs ist, möchte der Lehrling seine eigenen Zauberfähigkeiten erproben, indem er einen Besen beschwört, ihm als Knecht zu dienen und Wasser zu holen. Anfangs scheint das Experiment zu gelingen. Der Lehrling ist begeistert über sein geschaffenes Werk, doch kurze Zeit später wendet sich das Blatt:
Der Knecht kann vom Lehrling nicht aufgehalten werden, weiterhin Wasser zu holen, weswegen das Haus geradezu zu überfluten droht. Verzweifelt versucht der Lehrling, den Knecht zu stoppen, doch da ihm der nötige Zauberspruch entfallen ist, gelingt es ihm nicht. Der Lehrling spaltet den Besen voller Wut in zwei Teile, doch diese Tat verschlimmert die Situation nur, da nun beide Teile des Besens als Knechte funktionieren. Schließlich greift der inzwischen zurückgekehrte Meister ein, macht den Zauber rückgängig und verhindert somit Schlimmeres.
Als Interpretationshypothese lässt sich vermuten, dass der Autor mit dieser Ballade aussagen möchte, dass die menschliche Wissbegier und die Suche nach Selbstbestätigung durchaus positive und wünschenswerte Eigenschaften sind, die einem Prozess unterliegen, in dem ruhig Fehler gemacht werden dürfen oder sogar gemacht werden müssen, um aus selbigen lernen zu können.
Methodisches Vorgehen:
Bevor ich nun die Ballade im Anschluss verlaufsorientiert analysieren und interpretieren werde, werde ich auf das äußere Gesamtbild und die Erzählstruktur der Ballade eingehen. Abschließend wird anhand der Interpretationsergebnisse festgestellt, ob die aufgestellte Interpretationshypothese belegbar ist.
Die Ballade gliedert sich in 14 Strophen, welche sich in den Refrain ("Walle! Walle!", z.B. in Z. 9), der nach jeder Handlungsstrophe eingerückt vorgeführt wird, und den normalen Strophen einteilen lassen.
Bei dem Erzähler handelt es sich um einen personalen Ich-Erzähler ("Tu' ich wunder auch" V. 8), was sich dadurch kenntlich macht, dass der Erzähler nur das Wissen hat, welches der Zauberlehrling besitzt. Durch dieses Erzählverhalten, aber auch durch die Nähe des Erzählstandortes und die Innensicht (z.B. ersichtlich aus der Wiedergabe der Gefühlslage in Vers 46 "Wärst du doch der alte Besen!") kann der Leser sich in das Geschehen und insbesondere in den mit der Situation überforderten Zauberlehrling hineinversetzen. Dieses Hineinversetzen geht so weit, dass sich der Leser möglicherweise an eine Situation erinnert wird, in der es ihm ähnlich ging, in der er etwas völlig unterschätzt hat oder einen anderen Fehler gemacht hat. Dies lässt das Scheitern des Zauberlehrlings verzeihlich erscheinen. Die Erzählhaltung lässt sich als humorvoll bezeichnen, was sich unter anderem durch die oftmals erzeugte Komik in der Ballade (bspw. Stilbruch in Vers 41) bemerkbar macht. Diese Komik erscheint jedoch nicht abwertend, sondern eher wohlwollend. Der Text wird durchgehend als Figurenrede wiedergegeben.
Das Reimschema der ersten, wie auch aller anderen Strophen, die nicht zum Refrain gehören, ist "a-b-a-b-c-d-c-d"; es handelt sich also um Kreuzreime. Alle Stropen, die nicht Teil des Refrains sind, bestehen aus 8 Versen, die tendenziell zum Ende hin immer "kürzer" werden. Beim Versmaß handelt es sich im gesamten Stück um einen Trochäus, der das Werk lebendig macht und eine gewisse Leichtigkeit einhaucht. Die normalen Strophen bestehen dabei aus jeweils vier Versen mit einem vierhebigen Trochäus, sowie vier Versen mit einem dreihebigen Trochäus.
Im Refrain sind die ersten vier Verse mit einem zweihebigen Trochäus ausgestattet, die letzten beiden jedoch mit einem vierhebigen Trochäus.
Gleich in der ersten Strophe erfährt man, dass der "Zauberlehrling", welcher der Ballade ihren Titel gibt, selbst zu uns spricht, da er derjenige ist, der sich die "Wort' und Werke" (V. 5, Alliteration zur Verdeutlichung der Macht) des Meisters "merkt[e]" (V. 6). Inhaltlich wird in dieser Strophe die Neugier und Selbstüberschätzung des Lehrlings, welcher sich über die Abwesenheit seines Meisters freut, deutlich. Das sieht man z.B. durch die Inversion in Vers 8 ("Tu' ich Wunder auch."), welche diese Aussage schnippisch und trotzig erscheinen lässt. Verdeutlicht wird die Selbstsicherheit des lyrischen Ichs durch die "Geistesstärke" (V.7), die er sich selbst zuschreibt. Die Freude über die Abwesenheit des Meisters wird durch den Ausruf in Vers 2 ("Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben!") ersichtlich. Das in Vers 4 verwendete Possesivpronomen ("meinem Willen") zeigt, dass der Zauberlehrling seine eigene Macht, seine Fähigkeit demonstrieren möchte und seinen Willen durchsetzen will.
In der zweiten Strophe taucht nun erstmal der Refrain auf, welcher sich durch ein ungewöhnlich anmutendes Reimschema "a-b-b-c-a-c" auszeichnet und von den anderen Strophen abhebt. Dieses ungewöhnliche Reimschema könnte die Magie, welche hinter diesem Zauber steckt, repräsentieren. Äußerlich fällt auch bei den Refrains auf, dass die ersten vier der insgesamt sechs Verse kürzer als die letzten beiden sind. Verbunden mit dem tendenziell dem entgegenlaufenden Aufbau der normalen Strophen ergibt sich mit etwas Phantasie eine Art Wellenbild, welches die inhaltliche Thematik ("Wasser") wiederspiegelt. Diese Kontinuität des immer wieder wasserschleppenden Besens könnte des Weiteren im durchgängigen Versmaß und Reimschema verdeutlicht werden.
Inhaltlich beschwört der Lehrling in dieser zweiten Strophe den Besen, Wasser zu holen.
Die Beschwörung wird durch die pathetisch wirkende Alliteration "Walle! Walle!" (V. 9) unterstrichen. Stark auffällig ist in dieser Refrainstrophe die Wortwahl bzw. die Häufigkeit bestimmter Buchstaben. Sehr oft kommen die Laute "S", "ß", "Z" und "L" vor, zum Beispiel in den Wörtern "Wasser", "fließe" (V. 12). Man könnte meinen, diese auffällige Häufigkeit dieser "Zischlaute" betont die Atmosphäre von rauschendem Wasser.
Die dritte Strophe leitet inhaltlich den Machtrausch des Lehrlings ein, da dieser sich mit mehreren Ausrufen (z.B. "Nun erfülle meinen Willen!" V. 18) in einem Befehlston (Imperativ) an den Besen wendet. In Vers 18 fällt wieder auf, dass das lyrische Ich seinen eigenen Willen und somit seine Selbstverwirklichung in den Vordergrund stellt.
Der Lehrling möchte unbedingt, dass der Knecht endlich das tut, was er von ihm verlangt.
Durch das Ende der dritten Strophe ("Eile und gehe mit dem Wassertopf"), aber spätestens durch die Wiederholung der Beschwörung bzw. des Refrains in der vierten Strophe, erhält die gesamte Ballade einen Hauch von Komik. Der Lehrling setzt eine so hohe Macht wie die Magie, betont durch die pathetisch und aufgeladen wirkende Alliteration ("Walle! Walle!" V. 23), zu einem so banalen Zweck, nämlich Wasser für ein Bad zu holen, ein. Durch diese Gegensätze, die sich fortlaufend im ganzen Werk finden lassen, entsteht Komik.
In der fünften Strophe bindet der Zauberlehrling nun erstmals ein imaginäres Publikum ("Seht…" V. 29) mit ein. Dies zeigt seinen Stolz und seine Freude über das, was er selbst bewirkt hat, und lässt sich fast schon als kindliches Imponiergehabe auslegen.
Die Freude wird durch die vielen Ausrufe (bspw. "Schon zum zweiten Male!" V. 33) zusätzlich betont. Mithilfe der Wörter "Blitzesschnelle" und "rasch[]" wird eine bemerkenswerte Dynamik in dieser Strophe erzeugt, welche zu einer Unmittelbarkeit führt, die den Leser bzw. das imaginäre Publikum als Betrachter fesselt.
Die folgende sechste Strophen stellt den Wendepunkt der Ballade dar. Der Lehrling versucht durch eine erneute alliterierte Beschwörung "Stehe! Stehe!" (V. 37) den Knecht aufzuhalten, doch dann wendet sich das Blatt. Der Knecht gehorcht nicht. Dieser Einschnitt wird untermauert durch den Bindestrich in Vers 40 und den darauf folgenden Stilbruch. Während in den Versen 38 bis 40 eine sehr überladen wirkende Stilebene gebraucht wird ("…deiner Gaben vollgemessen!") bricht das Konstrukt – und damit auch die Illusion der Fähigkeit des Lehrlings – hinter dem Bindestrich zusammen. Dort wird dann Umgangssprache mit Verkürzungen ("merk'" V. 41) benutzt. Inhaltlich bricht hier für den Lehrling nicht nur die Illusion zusammen, des Zauberns mächtig zu sein, sondern auch die innere Einstellung, welche bislang von Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit geprägt war, nun aber in wehleidiges Eingestehen der eigenen Machtlosigkeit umschwenkt. Dies wird unterstützt durch die Interjektion "Ach" (V. 41) und die Alliteration "Wehe! Wehe!" (V. 41). Die Interjektion erzeugt zusätzlich Dramatik. Dass das lyrische Ich in Vers 38 das Publikum mit einbezieht ("wir") lässt eventuell darauf schließen, dass der Lehrling die Schuld von sich selbst ein Stück weit abwälzen möchte.
In Verbindung mit der Dynamik des Wasserflusses (siehe Strophe 5) lässt sich nun auch die Funktion des Wassers für das Gedicht aufzeigen: Das Wasser dient im wahrsten Sinne des Wortes als "Wasserstandszeiger" für die Dramatik oder für die Panik und Verzweiflung des Lehrlings.
In der siebten Strophe wird die Dramatik der eigentlich so banalen Handlung des Wasserholens deutlich. Dies geschieht durch Interjektionen ("Ach" V. 43, 45 und 49), Ausrufe (z.B. "Wärst du doch der alte Besen!" V. 46) und eine Hyperbel ("hundert Flüsse" V. 49), die andererseits auch Komik hineinbringt durch den Gegensatz zwischen dem harmlosen Besen, der Wasser holt und den bedrohlichen "Flüssen", die auf ihn einstürzen (siehe V. 50). In Vers 46 wendet sich das lyrische Ich fast schon flehend an den Besen, was seiner kindlich wirkenden Verzweiflung Ausdruck verleiht.
Die achte Strophe – ebenfalls dem Refrain zugehörig – charakterisiert den Lehrling insofern, als dass er uns wie ein Kind vorgestellt wird, welches den Besen erst "fassen" (V. 53) will, dann aber in Furcht verfällt ("…wird mir immer bänger!") und der gesamten Lage einfach nicht mehr Herr ist.
Dass der Besen in Vers 56 personifiziert wird ("Welche Miene! Welche Blicke") und als lebendiger Gegenstand angesehen wird, vor dem sich der Zauberlehrling füchtet, kann ebenfalls so interpretiert werden, dass es sich um die Angst eines zu neugierigen Jungen handelt, der aber letztlich keinesfalls als "böse", sondern eher als der Situation noch nicht gewachsen dargestellt wird.
Ferner lässt sich dies durch die enthaltene Komik (Angst vor einem einfachen Besen) untermauern.
Zugespitzt wird diese komische, hilflose Dramatik in der neunten Strophe, in der sich bereits die verzweifelte Wut des Lehrlings breit macht. Der eigentliche Besen wird nun durch eine Apostrophe als "Oh, Ausgeburt der Hölle!" (V. 57) verteufelt und in Vers 61 sogar als "verruchter Besen" dargestellt. Die Dramatik wird weiterhin aufgebaut, indem das Wortfeld "Wasser", welches schon die ganze Zeit in der Ballade verwendet wird, durch die Verwendung des Wortes "Wasserströme" hyperbolisch auf die Spitze getrieben. Auch hier offenbart sich wieder ein Gegensatz:
während erst hochtönende Worte wie beispielsweise "Augeburt der Hölle" (V. 57) auftauchen, erscheint dann eine sehr saloppe Redewendung "Soll das ganze Haus ersaufen?" (V. 58).
Durch die Personifikation des Stockes (der diesmal als solcher auch genannt wird), taucht erneut die Ebene des Lehrlings als "kleines Kind" auf, der sogar vor einem Stock zurückschrecken muss.
Durch das eingeschobene "Doch" (V. 64) enthält der Ausruf einen flehenden, fast schon jammernden Unterton.
Die zehnte Refrainstrophe beginnt mir einer rhetorischen Frage ("…gar nicht lassen?" V. 66), gerichtet an den verhexten Besen, die die Machtlosigkeit des Lehrlings, dem nichts anderes einfällt, als den Besen per Anflehung zum Stoppen zu überreden, wiederspiegelt. Durch den Paralellismus in Vers 67 – 68 ("Will dich fassen, will dich halten…") zeigt sich die hektische, unüberlegt wirkende Vorgehensweise des Lehrlings. Erstmals in dieser Strophe wird auch die Wut, die dann sogar in Aggression überschwingt, richtig deutlich, da der Lehrling den Besen mit "scharfen Beile spalten[]" möchte (V. 70). Die Machtlosigkeit und hektische Verzweiflung schlägt nun also in die ebenfalls unruhige, unbedachte (und deshalb wieder kindlich wirkende) Wut über.
In der elften Strophe spitzt sich der kindliche Zorn des tollpatschig agierenden Lehrlings zu.
Hier bindet das lyrische Ich durch den Ausruf "Seht, da kommt er schleppend wieder!" (V. 71) das Publikum wieder mit ein. Interpretieren ließe sich das so, dass der Lehrling bei der nun geplanten Tat, den Besen zu spalten, das Publikum "hinter sich" wissen möchte. Das würde auf Angst und Furcht davor, nun handeln zu müssen, hinweisen. Die Apostrophe "O, Kobold" (V. 73) symbolisiert die Wut des Lehrlings auf den Knecht, der sich von ihm nicht mehr stoppen lässt. In Vers 74 setzt der Lehrling seinen Plan, den Knecht zu spalten, um, worauf dann zwei Ausrufe ("Wahrlich!" und "Brav getroffen!") folgen. Diese beiden Ausrufe enthalten quasi eine Art Selbstlob des lyrischen Ichs, welches davon begeistert ist, wie es den Besen gespalten hat. Auch diese Art Selbstlob lässt sich hin zu einem kindlichen Bild des lyrischen Ich deuten, welches, weil niemand anderes (z.B. Eltern, Lehrer) dies übernimmt, sich selbst lobt. Verstärkt wird dies durch einen weiteren Ausruf in Vers 76 ("Seht, er ist entzwei!"), welcher wieder ein imaginäres Publikum mit einbezieht. Der Lehrling möchte allen Zuschauern zeigen, dass er alleine es (vermeintlich) geschafft hat, den Knecht zu spalten. Durch die Anapher in Vers 77 und 78 verstärkt sich das Bild, dass der Lehrling nun erleichtert ist, den Knecht "besiegt zu haben". Wörtlich wird hier in Vers 77 auch von der "Hoffnung" (V. 77) gesprochen, welche klarstellt, dass der Lehrling keinesfalls bewusst bzw. mit dem festen Wissen, wie er den Besen zu besiegen hat, gehandelt hat. Er scheint sich selbst nicht sicher zu sein, ob diese Spaltung erfolgsbringend war. In diesem Sinne ist der Lehrling nicht nur einfach inkompetent, er ist es auch unbewusst, da er seine eigenen Fähigkeiten überschätzt.
Die zwölfte Strophe startet mit einer Alliteration des Ausrufes "Wehe!" (V. 79).
Dieser Ausruf spricht für die wieder aufkeimende Angst und Verzweiflung des Zauberlehrlings, da nun aus dem gespaltenen Besen zwei Knechte werden. Inhaltlich kehrt sich die gerade wiedergewonnende Hoffnung (V. 77) nun also umso stärker wieder in Verzweiflung und diesmal sogar dem Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit um. Dies wird in Vers 84 deutlich, als der Zauberlehrling die "hohen Mächte" um Hilfe anfleht. Er selbst sieht die Ausweglosigkeit der Situation ein. Die wehleidige Interjektion "Ach" (V. 84) unterstreicht diesen beinahen Höhepunkt der Verzweiflung zudem.
In der vorletzten Strophe wird die Dramatik des überquillenden Wassers auf die Spitze getrieben, indem beispielsweise in Vers 85 auf Biegen und Brechen eine unmögliche Steigerung ("nass und nässer", Klimax) verwendet wird. Dies bringt einerseits die Dramatik, andererseits aber auch Komik, das sich "nass" normalerweise nicht zu "nässer" steigern lässt. Auch der Ausruf "Welch entsetzliches Gewässer!" (V. 87), welcher ebenfalls als Hyperbel verstanden werden kann, da es sich im eigentlichen Sinne ja lediglich um herbeigeholte Wassereimer handelt, dient zum Spannungsaufbau. Hier ist anzumerken, dass die "Zweischneidigkeit" des Elements Wasser offengelegt wird. Wasser als solches ist positiv konnotiert, es schenkt und erhält Leben. Dem gegenüber steht allerdings das Wasser als entsetzliches, weil tosendes Gewässer, welches Menschenleben gefährdet.
Vers 88 beinhaltet den längst überfälligen Hilferuf ("Herr und Meister, hör mich rufen!") nach seinem Meister, welcher dann ab Vers 89 zurückkehrt und – was durch den Bindestrich am Ende von Vers 88 verdeutlicht wird – der Handlung den nächsten, diesmal positiven Wendepunkt verpasst. Dieser Hilferuf klingt so, als würde ein unbeholfenes Kind nach seinem Meister (in diesem Fall möglicherweise Eltern oder Lehrer) rufen, da es dringend Hilfe benötigt.
Auch ist auffällig, dass der Meister diesmal als "Herr und Meister!" (V. 88) und nicht mehr etwas spöttisch als "alter Hexenmeister" (V.1) bezeichnet wird. Der Lehrling hat also dazugelernt.
Die Interjektion "Ach" (V. 89) symbolisiert in diesem Fall die Erleichterung des Lehrlings über das Auftauchen des Meisters. Mit dem Ausspruch der inzwischen geflügelten Worte "Die ich rief, die Geister werd' ich nun nicht los!" (V. 91) gesteht der Zauberlehrling wiederholt und engültig seine Unfähigkeit ein, die Situation wieder zu bereinigen. Es scheint, als wäre dieses Schuldeingeständnis nötig, um den alten Meister auf den Plan zu rufen.
In der letzten Strophe redet nun der zurückgekehrte Meister. Er verwandelt die Knechte mit einem klaren, kurzen und sehr ruhig wirkenden Befehl wieder zurück in einen Besen.
Die Alliteration "Besen! Besen!" in Vers 94 wird dazu gebraucht, zu verdeutlichen, dass die "Ausgeburt[en] der Hölle" (V. 57) doch in Wahrheit eigentlich nur ganz banale Besen sind.
Hierdurch entsteht abermals eine komische Wirkung, wie ohnehin schon durch den Gegensatz zwischen dem sehr hektischen Lehrling und den ruhig und besonnen auftretenden Meister.
Im Gegensatz zu dem unüberlegt scheinenden Auftreten des Lehrlings wirkt der Meister bewusst kompetent und durchdacht handelnd. Die wird dadurch verdeutlicht, dass der Meister zum einen nur ganze sechs Verse dazu braucht, das Problem zu beheben, während der Lehrling Ewigkeiten mit dem Versuch der Problemlösung zugebracht hat, und zum anderen durch die Wortwahl in Vers 97.
Der Meister spricht hier ganz bewusst von "seinem Zwecke" (V. 97), während der Lehrling vorher bei der Beschwörung nur von einem – damit ein Stück weit undefinierten – "Zwecke" (V. 25) gesprochen hat.
Des Weiteren lässt sich noch anmerken, dass sowohl das Metrum als auch das Reimschema in der gesamten Ballade durchgängig ordentlich fortgeführt werden, während die Handlung dem komplett widerspricht und zwischenzeitlich ein absolutes Chaos abzeichnet. Auch dies verstärkt das Komische in dem "Zauberlehrling".
Die aufgestellte Interpretationshypothese, Goethe würde die Wissbegier und Selbstverwirklichung des Menschen nicht kritisch, sondern eher positiv beurteilen, lässt sich meines Erachtens durch die Analyseelemente belegen. Dies zeigt sich vor allem daran, dass in der ganzen Ballade immer wieder krasse Gegensätze (bspw. Ordnung – Chaos, Dramatik – banale Handlung) auftauchen, die Komik erzeugen. Der Leser wird also dazu angeregt, genau wie der Autor wohl selbst, über den etwas tollpatschig wirkenden Lehrling zu schmunzeln. Letztlich führt dies dazu, sich selbst in die Lage des Lehrlings hineinzufühlen. Wer hat nicht schon mal einen (verzeihlichen) Fehler gemacht? Keinesfalls wird das Verhalten des Lehrlings hier als fürchterlich falsch dargestellt, da auch der Meister bei seiner Rückkehr kein einziges Wort verliert, das dazu dient, den Lehrling zu bestrafen. Sicherlich steckt in dieser Ballade auch das Thema der Belehrung und Unterordnung unter einen "Mächtigeren", also der Anerkennung einer Autorität, doch diese Autorität ist dem Lehrling keinesfalls böse gesonnen. Im Gegenteil: Es scheint, da der Meister sehr ruhig auftritt, als würde er die Wissbegier des Lehrlings positiv einschätzen. Hiermit lässt sich das Sprichwort "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen" verbinden. Ferner erscheint es fraglich, zu behaupten, der Meister sei der Gute, der Held und der Sympathieträger dieser Ballade, da ihm viel weniger Sprechanteil gewidmet wird. Die Selbstüberschätzung des Lehrlings ist im Endeffekt vielleicht sogar zwingend nötig, um eigene Ziele zu erreichen und die eigenen Grenzen zu erweitern. Allein die Wortwahl im Titel "Zauberlehrling" lässt sich schon dahingehend interpretieren: mit einem "Lehrling" verbindet man allgemein jemanden, der eben noch nicht wissend ist, der Fehler macht und diese Fehler auch machen darf oder gar machen muss, denn "aus Fehlern lernt man". Niemand ist bspw. einem Handwerkslehrling böse, der seine Sache nicht perfekt ausführt. Das ist verzeihlich. Dieses Verzeihliche wird auch dadurch untermauert, dass der Lehrling mehrmals im Gedicht kindlich erscheint, z.B. durch das Selbstlob in Vers 75 ("Wahrlich! Brav getroffen!").
Kaum jemand kann einem Kind wirklich böse sein, welches einen Fehler begeht.
Auch mit dem weiteren Blick auf Goethes früheres Werk "Prometheus" kann man diese Ballade gut so verstehen, dass es eben nicht darum geht, sich aus Demut einer Autorität unterordnen zu müssen. Prometheus lehnt sich selbst gegen die Götter auf, akzeptiert also keinerlei Autorität über ihm (außer Zeit). Verbunden mit diesem Wissen erscheint es unwahrscheinlich, dass Goethe nun im Zauberlerling die Unterordnung unter eine Autorität einfordert und damit seinem "Prometheus" widerspricht. In Bezug auf die Epoche Klassik, die von der Erziehbarkeit des Menschen hin zu Harmonie ausgeht, erscheint es schlüssig, den Zauberlehrling als Symbol für die Menschen zu sehen, die durch das Begehen von Fehlern dazulernen und letztlich vom Lehrling zum Meister "erzogen" werden sollen. Das Streben nach Harmonie äußert sich in der Ballade des Weiteren durch den ordentlichen Aufbau von Reimschema und Metrum.