Schlagwort: Andorra

  • Andorra Innerer Monolog Abschiedsbrief von Can

    „Andorra“ (Max Frisch)

    Der Lehrer Can schreibt vor seinem Selbstmord einen Abschiedsbrief an die Nachwelt. Schreibe diesen Brief als inneren Monolog und berücksichtige dabei die verschiedenen Konflikte im Drama, die dabei eine wesentliche Rolle spielen.

    An meine liebste Frau, die du ein Recht auf Aufklärung hast,
    an Senora, deren Kind ich hab’ leiden lassen,
    an Barblin, der ich das Leben schwer gemacht habe mit meiner Trinkerei,
    und an Andri, an dessen Tod ich Schuld habe!

    Am meisten gilt dir der Brief, lieber Andri. Auch wenn du das nicht lesen kannst, da du aufgrund meiner Lüge ums Leben gekommen bist! Doch sicher kommen meine letzten Worte bei dir an. Du hast mir selbst kurz vor deinem Tod nicht geglaubt. Da du nicht geglaubt hast, warst du verloren. Mir ist es wichtig, Andri, dass du wenigstens nach deinem Tod in Frieden ruhst. Außerdem sollst du die Wahrheit wissen, du bist mein Sohn, Andri! Ich habe dir gesagt, ich würde mich erhängen, damit du es glaubst! Nun tu ich es. Das bin  ich dir schuldig. Ich war der Grund, warum du dein ganzes Leben lang gelitten hast! Meinetwegen konntest du nicht Tischler werden. War das nicht dein größter Wunsch? Oder war es nicht dein größter Wunsch, Barblin zu heiraten? Ich konnte dir nicht meine Tochter geben, wo ich dir doch alles hätte geben wollen! Doch wie, sag es mir Andri, wie hätte ich dir das beibringen sollen? Du verachtest mich. Das ist dein Recht, Andri. Ich habe dir Unrecht angetan! Ich hätte dir alles sagen wollen, doch du hättest mir nicht gegöaubt, genauso wenig wie die verdammten Andorraner! Diese Lumpenhunde haben dich gequält. Selbst dieser verdammte Akademiker! Dieser Schmugglersohn konnte seine Arbeit nicht machen ohne etwas über den Jud’ abzulassen! Jud! Kein Tag vergeht ohne Jud, keine Nacht ohne Jud! Überall höre ich Jud! Jeder plappert’s nach! Jud! Jud! Jud! Ich wollte dir die Wahrheit sagen, aber die Lüge ist ein Egel, sie hat die Wahrheit ausgesaugt. Die Lüge wuchs und wuchs. Ich kam da nicht mehr heraus! Die Andorraner – diese gemütlichen Leut, wie man sagt, die nicht feig seien, immer hieß es, ein Andorraner hat keine Angst – wollten die Wahrheit doch gar nicht! Doch ich habe immer zu dir gehalten, Andri! Diese Andorraner – ja, schneeweißes Andorra, voller Unschuld – meinten immer, sie wissen, wie der Jud ist. Die hätten es nicht geglaubt. Später haben sie es ja auch nicht. Sie hatten es doch schon geplant! Der Pfahl war da – ja, und niemand usste, was es damit auf sich hatte! Andorraner, voller Unschuld! Und liebste Frau, du weißt, ich liebe dich! Doch kann ich nicht großer Schuld weiter leben. Vergib’ mir, dass ich wieder allen Leid zufüge. Aber es ist nun mal so, ich bin feig. Ich laufe wieder davon. Bin ich nicht immer davon gelaufen? Vergib’ mir, dass ich selbst dir nicht die Wahrheit gesagt habe! Und ich habe dich zwar geheiratet, weil du eine Andorranerin warst, aber ich habe dich im Laufe der Ehejahre lieben gelernt! Du bist wundervoll! Vergib’ mir bitte auch, dass du meinetwegen so gelitten hast, wegen meiner Trinkerei!
    Und Senora, auch dir bin ich vieles schuldig! Es ist der beste Beweis für Andri mich zu erhängen! Ja ich war feig’! Ein für alle mal, ich war feig’!
    Du trägst keine Schuld, ich möchte, dass du das weißt.
    Barblin, meinetwegen hast du dich in deinen Bruder verliebt. Meinetwegen haben dich alle auf meine Trinkerei angesprochen. Auch dir habe ich das Leben schwer gemacht. Bei dir möchte ich mich am meisten entschuldigen, für das, was ich gleich tun werde! Ich liebe dich, Barblin, und du hast einen besseren Vater verdient, aber man kann sich seinen Vater nicht aussuchen.
    Ihr werdet alle ohne mich besser dran sein!

    In großer Liebe und Entschlossenheit,

    Can

    Wichtige Kriterien für den Abschiedsbrief:

    -Anlass für den Selbstmord
    -Schuldbekenntnisse
    -Enttäushung für Andri, persönliche Entwicklung, Position zu den Andorranern

  • Andorra Max Frisch Analyse 6 Bild

    Max Frisch, Andorra, 6. Bild, S. 53-56
    Analysiere und interpretiere das Gespräch zwischen Andri und dem Vater unter sprachlichen und inhaltlichen Gesichtspunkten.

    Dem Gespräch des Vaters mit Andri im sechsten Bild geht voraus, dass der Lehrer sich Gedanken macht, wie er die Lüge, die er einst in die Welt gesetzt hat, widerlegen kann, damit keiner mehr glaubt, Andri sei ein Jude. Er trinkt sich Mut an, damit es ihm leichter fällt, über seine Fehler zu reden.
    Im ersten Teil des sechsten Bildes erzählt Andri in vollem Stolz und mit Freude seiner Barblin, wie viel Geld er schon gespart hätte und dass sie bald wegziehen könnten. Als der Vater erscheint, behandelt ihn Andri respektlos, weil dieser wieder getrunken hat. Andri versteht nicht, warum der Vater getrunken hat und weißt ihn zurück. Er ekelt sich und beschimpft ihn. Er macht ihm klar, dass er es angenommen habe ein Jude zu sein und schenkt der  Wahrheit des Vaters keinen Glauben. Der Vater weiß nicht weiter und geht.
        Ein besonderes Merkmal erstreckt sich übe den ganzen Textabschnitt: Die Bestimmtheit und das Selbstbewusstsein mit dem Andri seine Meinung vertritt und diese nicht mehr verklemmt und ängstlich versteckt. Ein Beispiel dafür sind die wie Befehle formulierten Anweisungen: „Lass das!“; „Und sag nicht immer: Mein Sohn, wenn du blau bist!“. Er sagt dem Vater klar und deutlich, was er von ihm Verlangt. Der hingegen nimmt eine rezessive Rolle in dem Geschehen ein: Er führt die Sätze nicht zuende und kann sein Anliegen nicht richtig in Worte fassen: „Hörst du mich an?“; „Ich bin bekümmert …“; „Damit habe ich nicht gerechnet …“. Der Lehrer versucht Andri zu erklären, dass er kein Judenkind sei, sondern sein eigener Sohn, aber er kann es nicht in eine für Andri verständliche Form bringen: „Du verdankst mir dein Leben …“ Andri daraufhin: „Ich verdanke es.“. Erschwerend kommt hinzu, dass Andri nicht gewillt ist, ihm zuzuhören und ihm entgegenzukommen: Regieanweisung: „Andri schweigt.“. Sein Vater stellt eine Vermutung auf: „Du verachtest mich …“, die Andri damit begründet, welchen Eindruck er einst vom Vater hatte: „Ich habe dich verehrt. Nicht weil du mein Leben gerettet hast, sondern weil ich glaubte, du bist nicht wie alle, du denkst nicht ihre Gedanken, du hast Mut.“. Das alles hat sich jetzt geändert und der Vater bringt nicht die Kraft auf die Lüge aus der Welt zu schaffen.
        Als der Lehrer versucht, Andri vom Gegenteil zu überzeugen, lenkt dieser ab und provoziert ihn mit Vorurteilen, denen er tagtäglich ausgesetzt ist: „Um sieben muss ich im Laden sein, Stühle verkaufen, Tische verkaufen, Schränke verkaufen, meine Hände reiben.“ (…) „ »Kann man finden einen besseren Stuhl? Wackelt das? Ächzt das? Kann man finden einen billigeren Stuhl?« ich muss reich werden.“ Der Lehrer versteht diese Anspielungen nicht und erfragt den Hintergrund: „Warum musst du reich werden?“. Andri entgegnet: „Weil ich Jud bin.“. Durch eine einfühlsame Geste  versucht der Vater ihm näher zu kommen, doch Andri fühlt sich angegriffen und beschimpft seinen Vater: „Du ekelst mich.“; „Geh pissen!“. Des Lehrers Vermutung, Andri verachte ihn, hat sich zu Hass gesteigert und er sieht keinen Sinn in einem weiteren Gespräch und geht.
        Da Andri immer eine abweisende Haltung gegenüber dem Lehrer einnimmt und sein Vater mit seinen Erklärungen nichts an Andris Meinung ändern kann, bringt dieses Gespräch für beide nichts, es hat eher die Spannung zwischen ihnen verschärft.