Autor: kevin

  • Interpretation „Der Gott der Stadt“ Georg Heym

    Interpretation von „Der Gott der Stadt“ von Georg Heym

    Vom äußerem Aufbau her weißt Georg Heyms Gedicht „Der Gott der Stadt“ eine klassische Form auf. Es gibt fünf Strophen mit jeweils vier Zeilen, die einen Kreuzreim aufweisen. Georg Heym verwendet einige Stilmittel, die in den einzelnen Strophen besprochen werden:
    1. Strophe:
    Durch eine Personifikation wird eine Vermenschlichung vorgenommen (Z. 4; die letzten Häuser in das Land verirrn.). Die Sicht von Gott aus wird geschildert. Dies wird deutlich durch die Umschreibung Gottes: „Auf einem Häuserblock sitzt er breit.“(Z.1) und „Er schaut voll Wut…“(Z.4). Durch die schwarze Farbe, die angesprochen wird, kann auch der Tod beschrieben werden. Gott wird von den „schwarzen Winden“ (also dem Tod) bedroht (Z. 3). Man kann interpretieren, dass „wo fern in Einsamkeit die letzten Häuser in das Land verirrn.“(Z.3+4) die einsetzende Industrialisierung meint. Die Menschen wandern alle in die Städte, sodass das Land einsam und leer zurückbleibt.

    2.Strophe:
    Hier wird die Beziehung zwischen Gott und den Menschen dargestellt. Durch „die großen Städte knien um ihn her.“(Z.6) wird wieder eine Personifikation ausgedrückt, die sich auf den Baal bezieht. Hiermit wird Gott bezeichnet, dem alles zu Füßen liegt, in diesem Fall die großen Städte. Er ist also so etwas wie allmächtig. Der wiederholte Gebrauch der Farbe schwarz rückt die dargestellte Beziehung zwischen Gott und Menschheit in ein negatives Licht.

    3.Strophe:
    Heym stellt wieder einen Vergleich auf. Er beschreibt die jubelnde Menschenmenge, die sich in der Stadt befindet und über die Industrialisierung freut (Z.9+10). Heym stellt sie durch „Millionen“ dar. Ihre begeisterte Musik ist so laut wie die der Korybanten, was die ausgelassene Stimmung hervorheben soll. Jedoch zeigt das Wort „dröhnt“ wieder etwas Negatives.
    Im weiteren Verlauf der dritten Strophe wird ein Vergleich zwischen den Schornsteinen, die durch die Industrialisierung entstanden sind, und dem Duft von Weihrauch, der wieder Gott verkörpert, angestellt.

    4.Stophe:
    Hier werden die Folgen der Verstädterung erläutert. Die Natur wehrt sich (Z.13; das Wetter schwelt in seine Augenbraun). Das angesprochene „schwelt“ kann man von „Schwefel“ ableiten. So wäre ein Bezug zur vorangegangenen Strophe geknüpft. Es wird sonst eine recht angespannte Situation beschrieben. Die negative Stimmung breitet sich aus, die in den vorherigen Strophen nur durch einige Worte angeschnitten wurde. 

    5.Strophe:
    Abschließend wird in der letzten Strophe die Bestrafung Gottes aufgrund der Industrialisierung beschrieben. Die Menschen haben Gott vernachlässigt und nun müssen sie wohl seinen Zorn erdulden. Durch die Alliteration von „Fleischerfaust“(Z.17) wird die Härte Gottes hierbei ausgedrückt. Alles geschieht in der Nacht, bis der Morgen graut (Z.20; …“bis der Morgen tagt.“). So folgt nach der Zerstörung (Abend) ein Neuanfang (Morgengrauen).

    Schlussbetrachtung:
    Georg Heyms „Der Gott der Stadt“ weißt recht viele Vergleiche auf. Weiterhin gebraucht Heym auch historische Worte, um Gott dazustellen, ihn dadurch vielleicht auch hervorzuheben. Durch die Personifikation wird die Untergebenheit unter Gott verdeutlicht. Man kann sagen, dass eine Art der klimatischen Steigerung vorhanden ist. Zuerst wird der Zustand der Stadt (also allgemein der Menschheit) beschrieben. Hier ist die Sicht von Gott aus gewählt worden. Im weiteren Verlauf wird die Beziehung zwischen Gott und der Menschheit beschrieben, die Ursache für die Verärgerung Gottes (dies ist der Materialismus der Menschheit) und seine Bestrafung für die Menschheit. Diese Bestrafung kann entweder als Zerstörung durch Naturgewalt oder durch Ausbruch des Krieges ausgelegt werden.

     

  • Der Adler der neunten Legion

    Der Adler der neunten Legion

    Die Aurorin

    Rosemary Suttcliff ist 1920 in Surrey geboren. Sie erkrankte früh an Arthritis und konnte deshalb lange nicht zur Schule gehen.
    Danach wurde sie erst Zeichnerin, jedoch mit 25 entschied sie sich fürs schreiben.
    Sie schreibt Jugendbücher, die auf wahren Tatsachen beruhen.

    Inhaltsangabe

    Das Buch spielt Anfang des 2.Jahrhunderts n. Christus.
    In dem Buch geht es um die verlorene 9. Legion und um die Zurückgewinnung des Adlers. Der Adler war so etwas wie ein Heiligtum, für die Legion.
    Die Hauptpersonen sind Centurio Marcus Flavius Aquila und sein Sklave Esca.
    Es fing an, als Marcus sich in eine Hilfskohorte meldete, um mehr über seinen Vater zu erfahren, der mit der 9. Legion spurlos verschwunden ist. Da wird er schnell Lagerkommandant, und er arbeitet sich gut ein. Doch die Karriere ist schnell wieder vorbei, denn die Festung wird angegriffen, und er wird von einem Streitwagen überfahren. Er bricht sich das Bein. Es steht fest, dass das Bein lahm wird und so ist kann er nicht in der Armee bleiben. Daraufhin zieht er zu seinem Onkel Aquila nach Calleva im Süden Britanniens. Er hat es dort gut, aber in ihm schwebt immer noch die Neugierde. Eines Tages nimmt sein Onkel ihn mit zu den „Saturnalienspielen“(T). Ein Kampf fällt ihm am meisten auf: Ein Brite mit Schwert und Schild, kämpft gegen den „Fischer“ mit Dreizack und Netz. Der Brite verliert schnell, und er bittet um Gnade. Marcus streckt sofort seinen Daumen zum Himmel, und es werden immer mehr. Er wird begnadet. Am nächsten Tag kauft Marcus ihn. Sein Name ist Esca.
    Dann kommt eines Tages der Legat der 6. Legion zu Marcus und erklärt ihm, das der Adler gesehen wurde.  Marcus und Esca machen sich sofort auf den Weg. Marcus verkleidet sich als Augendoktor da in der Region viele Menschen Augenkrankheiten haben. Sie durchkämmen die Region Valentia und sie treffen Guern, einen Ex- legionisten. Er weiß noch viel über die 9. Legion. Er begleitet die beiden bis zum nächsten Dorf. Dort findet gerade das „Fest der neuen Speere“ statt. Das ist ein Fest. In dem die Jungen zu Männern werden, und dann Jäger und Krieger werden. Marcus sieht dann  einen Priester mit dem Goldenen Adler. Er kann es erst nicht glauben. Aber dann schmiedet er sofort mit Esca einen Plan.
    In der darauffolgenden Nacht schleichen sich Marcus und Esca aus dem Dorf, in den Tempel. Sie brechen in den Tempel ein und stehlen den Adler.(T) Sie verstecken ihn im See, in der nähe des Dorfes, und ziehen los. Sie wer den schnell verdächtigt, und durchsucht, doch als die Krieger des Stammes nichts finden, ziehen sie sich beschämt zurück.  Sie machen in einem Dorf Pause, und Esca geht zurück und holt den Adler. Doch er verliert seine Mantelspange an dem See, und sie werden wieder von den Kriegern verfolgt. Sie werden fast erwischt, aber sie verstecken sich in einem Fluss und scheuchen die Pferde  davon. Die Krieger jagen den Reiterlosen Pferden hinterher, und so können Marcus und Esca, weiterziehen. Sie haben nun, ohne ihren Vorrat, kaum noch Hoffnung. Sie treffen aber wieder auf Guern, der sie auf Versteckten Pfaden durch die Sümpfe bringt, und sie mit Vorrat versorgt. So treffen sie mit not am Hadrianswall ein.
    Daraufhin, einigen sich Onkel Aquila, Esca und Marcus darauf, den Adler in eienem Fach unter dem Haus zu verstecken.
    Marcus bekommt seine Abfindung, und gründet mit Esca zusammen ein Anwesen.

  • Das Versprechen Dürrenmatt Inhaltsangabe

    Das Versprechen
                         
       Inhaltsangabe

    Das Versprechen handelt vom Schicksal eines begabten Kriminalkommissars, dem ein Mord und seine Aufklärung große Schwierigkeiten einbringen.

    Ein Schriftsteller gibt eine schlechtbesuchte Lesung  über Kriminalromane in Chur. Da er nicht schlafen kann, geht in die Bar seines Hotels. Dort trifft er auf Dr.H., den ehemaligen Kommandant der Kantonspolizei Zürich. Die beiden kommen ins Gespräch und am nächsten Tag fahren sie zusammen mit dem Auto nach Zürich. Zwischendurch halten sie an einer alten schäbigen Tankstelle vor der ein heruntergekommener Tankwart sitzt. In dem angrenzenden Wirtshaus trinken sie Kaffee. Die Geschichte zu diesem Tankwart, der ein ehemaliger Oberleutnant von Dr.H ist, erzählt der Kommandant ihm auf der weiteren Fahrt.

    Eigentlich soll Kriminalkommissar Matthäi, der eine steile Karriere hinter sich hat, jetzt nach Jordanien versetzt werden, um dort ein ehrenvolles Amt zu übernehmen.
     
    Als er gerade dabei ist seinen Schreibtisch aufzuräumen, bekommt er einen Anruf aus Mägendorf, einem Dörfchen in der Nähe vom Zürich: der Hausierer von Gunten teilt ihm mit, er habe im Wald die Leiche eines Mädchens gefunden.

    Obwohl sein Flug schon in drei Tagen geht, fährt er nach Mägendorf und findet die Leiche Gritli Mosers, die mit einem Rasiermesser grausam von einem unbekannten verstümmelt wurde. Als er auf die erschütterte Mutter des Gritli Moser trifft, verspricht er ihr nicht aufzugeben, bis er den Mörder ihrer Tochter gefunden hat.

    Die Mägendorfer halten den Hausierer von Gunten für den Täter und wollen Selbstjustiz ausüben. Nur mit Mühe kann Matthäi sie in letzter Minute davon abhalten. Seine Kollegen jedoch, die den Fall  möglichste schnell lösen wollen, ringen von Gunten in einem Verhör unter Druck ein Geständnis ab. Kurz danach erhängt er sich jedoch in seiner Zelle.

    Matthäi, der nicht an die Schuld des Hausierers glaubt, will sein Versprechen halten, auch wenn ihm dass einige Probleme bringt. Seinen Flug nach Jordanien lässt er platzen und kümmert sich, gegen den Willen seiner Vorgesetzten, um die Aufklärung des Falles, weil er überzeugt ist, dass der Mörder noch frei herumläuft. Da es auch in den Kantonen Schwyz und St. Gallen zwei Mordfällen gleicher Art gab, sieht er weitere Kinder in Gefahr. Seine Recherchen muss er jedoch privat führen, denn für seine Kollegen  ist der Fall abgeschlossen.

    Als erstes besucht er die Klasse der ermordeten Mädchens. Dort findet er heraus, dass Gritli ihrer besten Freundin von einem Riesen erzählte, der ihr kleine Schokoladeigel schenkte. Außerdem entdeckt er eine Zeichnung von Gritli auf der ein Riese, ein großes, schwarzes Auto, Kügelchen mit Stacheln und ein seltsames Tier mit Hörnern darauf zu sehen sind. Den Riesen hält der Kommissär für den Mörder. Über diese Zeichnung spricht Matthäi mit einem Psychiater, der die Zeichnung aber nicht genau deuten kann, aber der Arzt hält es für möglich, dass ein Mann mit einem Hass auf Frauen diese furchtbaren Morde begangen haben könnte.

    Als Matthäi nach langem Suchen, im Zoo das Tier mit Hörnern auf der Zeichnung als Steinbock, das Wappentier Graubündens, erkennt, mietet er sich dort eine alte Tankstelle. Er ist überzeugt, dass der Mörder eines Tages, mit einem großen, schwarzen Auto dort vorbeikommt .Für den Haushalt engagiert er eine Frau, Frau Heller mit deren kleiner Tochter Annemarie, die große Ähnlichkeit mit den drei ermordeten Mädchen hat. So will er dem Mörder eine Falle stellen und Annemarie soll ihm als Köder dienen. Jeder Kunde, der sich mit ihr unterhält, wird von dem Kommissar beobachtet und jede auffällige Autonummer notiert.

    Nach den großen Ferien sieht Matthäi Annemarie einmal mit Schokoladetrüffel am Waldrand sitzend. Sie hat geschwänzt und nach einiger Zeit erzählt sie ihm widerwillig, dass sie auf den Zauberer warte. Da er in den Schokoladetrüffeln, die Schokoladenkügelchen von der Zeichnung erkennt, sieht er sich jetzt seinem Ziel ganz nahe. Mit Hilfe seines ehemaligen Chefs organisiert eine totale Überwachung des Waldstücks. Annemarie geht jeden Tag dort hin und wartet auf den Zauberer, der jedoch nicht mehr kommt. Die Überwachungsaktion wird daraufhin, von den wütenden Beamten abgebrochen, da sie nichts zu bewirken schien.

    Matthäi jedoch wartet weitere Jahre, obwohl sich keine ähnlichen Morde mehr ereignen. Matthäi verkommt und trinkt. Sein ehemaliger Chef, der Kommandant fährt immer wieder auf ein paar Worte bei Matthäi vorbei, da dieser schließlich früher ein sehr fähiger Polizeibeamte war.

    Einige Jahre später kommt der Kommandant wieder zu Matthäi an die Tankstelle um ihm von der Lösung der Falls zu erzählen. Doch die Worte des Kommandanten erreichen ihn nicht mehr, er zeigt keine Regung.

    Der ehemalige Kommandant Dr.H erzählt seinem Zuhörer auch wie er zufällig auf die Lösung des Falls stieß:

    Eines Tages wird der Kommandant durch den Anruf eines Geistlichen in eine Privatklinik gebeten, da die sterbende Frau Schrott  ihr Gewissen befreien möchte. Sie erzählt, dass sie aus einer wohlhabender Familie stammt. Als ihr Mann stirbt heiratet sie ihren Chauffeur und Hausmeister Albert, der viel jünger als sie ist. Regelmäßig schickt sie ihn mit dem Auto, einem alten schwarzen Amerikaner, nach Zürich. Nach und nach verändert sich jedoch das Verhalten Alberts, was ihr auffällt. Bis sie eines tags blutverschmierte Kleidung und ein Rasiermesser findet. Aus Zeitungsberichten weiß sie von den Morden an den Mädchen. Sie verdächtigt ihn sofort und er gibt die Morde ihr gegenüber auch zu. Wegen dem Ansehen ihrer Familie schweigt sie jedoch, auch als ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben kommt. Jetzt möchte Frau jedoch die Wahrheit sagen.
    73 Zeilen

                        Eigene Meinung

    Das Versprechen ist ein interessanter Kriminalroman, der auch zum Nachdenken anreget. Am Anfang sind die verschiedenen Erzähler etwas verwirrend ,aber wenn man sich einmal eingelesen hat ist das kein Problem mehr. Die Handlung sind meiner Meinung nach sehr realistisch vorgestellt und man kann sich gut vorstellen, dass diese Geschichte einmal wirklich passiert ist. Die Stelle, die zeigt mit welchen Mitteln der Hausierer dazu gebracht wird ein Geständnis abzulegen, obwohl er die Tat eigentlich garnicht begangen hat fand ich sehr interessant. Sie zeigt wie Menschen, leichtfertig ein anderes Leben zerstören nur damit sie ihre Arbeit schnell hinter sich haben, ohne die Folgen, in diesem Fall den Selbstmord, zu bedenken. Auch gut dargestellt finde ich die Tatsache wie ein Mensch am Scheitern einer sich gestellten Aufgabe zu Grunde geht. Diese zwei Stellen zeigen, dass es in diesem Roman auch viel um Psychologie geht, z.B auch bei der Szene beim Psychologen, der die Kinderzeichnung enträtseln soll.
    Im Großen und Ganzen war der Roman sehr unterhaltsam nur in der Mitte fand ich ihn teilweise zu sehr in die Länge gezogen, wodurch es langweilig wurde.
    14 Zeilen
     

  • Kurt David „Antennenaugust“ Inhaltsangabe

    Kurt David „Antennenaugust“

    Inhaltsangabe:

      1.Kapitel:    – kleiner Bussard (August) und sein neues zu Hause
      (11. Feb.)    – neue „Bewohner“ muss sich an das Neue gewöhnen u. fressen   
      lernen
     
      2.Kapitel:    – Garagendach gefiel ihm nicht
      (14. Feb.)    – August war sehr wild, besonders beim Essen
    – Frau Kalunke kaufte ihm gern Fleisch
    – zögerte lange bevor er das Fleisch fraß
           
      3.Kapitel:    – August fraß am liebsten Sperlinge und Mäuse
      (15. Feb.)    – man versucht ihm das Fliegen, mit einem Ballon, beizubringen,  
      dass Misslingt aber, da der Ballon durch die Zigarre des  
      Taxifahrers zerplatze
    – zweiter Versuch mit einem rotem Ballon schlug auch fehl, da er 
      im Obstbaum hängen blieb
    – August fliegt fast 2m hoch
            – August zerhackte vor Wut einen roten Luftballon
            – Nachts flog August selbst über die Kante des Schuppendachs

      4.Kapitel:    – nach 61 Tagen war August verschwunden
      (18. Feb.)    – Kinder störten den Unterricht, weil sie Ausschau nach August
      hielten
            – Herr Buchholz sah August wegfliegen
            – nach langem Warten kam August doch zurück (5. Tag)
            – August zerbiss die Antenne von H. Buchholz Fernseher, er war
      stinksauer, daher kommt auch der Name Antennenaugust
            – wartete jeden Früh am Küchenfenster auf sein Fressen
           
      5.Kapitel:    – Nachbar beschwert sich bei Ricos Mutter, da August das Wasser
      (20. Feb.)      seiner Zuber beschmutzt
            – August holt sich vom Nachbarn die Hähnchen
            – Leute aus dem Dorf wollen ihn umbringen oder in den Wald  
      schicken, da er nur Blödsinn anstellt
    – Rico will, dass er nicht erschossen wird, deshalb bringt er ihn in  
      den Wald
    – August fiel Frau Kalunke an, dadurch hat sie sich den Arm 
      gebrochen
    – er fraß alle Hühnchen auf
    – sie schafften ihn erneut in den Wald, er kam aber immer wieder
    – Taxifahrer nahm ihn mit nach Bautzen, kam immer wieder
    – zum Schluss schoss ihn H. Buchholz ab, August starb

       

    Personen und ihr Verhältnis zu August:

    Mutter:    – kümmert sich gut um August
    – versucht ihm das Leben zu retten und ihn groß zu bekommen

    Herr Buchholz:    – rette den Vogel, der aus dem Nest fiel, indem er ihn zu
                  Jungen brachte

    Taxifahrer:    – bringen für den Vogel Futter
    – hilft ihm beim Entwickeln seiner Fähigkeiten

    Dorfbewohner, Mitschüler:    – sind sehr begeistert und neugierig
                        – bringen Eier für August
    – wollen ihm das Fliegen lernen

    Frau Kalunke:    – ist sehr neugierig
    – interessiert sich nur scheinbar für den Vogel

    Bauer:    – August frißt von ihm die Hähnchen, dadurch wird er sauer und  
      will, dass er erschossen wird

    Ich-Erzähler:        – 10 jähriger Junge erzählt in 1. Person Singular 

     

  • Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Inhaltsangabe

    In dem Roman „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ erzählt Judith Kerr ihre eigene Lebensgeschichte. Das Buch handelt von der Flucht einer Jüdischen Familie aus dem Hitlerdeutschland.
    Die Wahlen stehen kurz bevor. Annas Vater befürchtet, dass Hitler an die Macht kommen wird. Er ist ein bekannter Schriftsteller in Berlin. Er schreibt in Zeitschriften und Zeitungen Artikel gegen Hitler. Anna ist, wie ihre ganze Familie, jüdisch. Ihr älterer Bruder ist zwölf Jahre. Aus Angst vor einem Wahlsieg der Nazis entschließt sich Annas Vater vorübergehend nach Prag zu gehen. Kurz darauf wird es auch für den Rest der Familie zu gefährlich. Heimlich packen sie die nötigsten Sachen und fahren mit dem Zug in Richtung Schweiz. Für Anna ist das sehr aufregend. Sie ist zwar traurig, dass sie ihre Freunde zurücklassen muß, ist aber zugleich gespannt auf das „neue“ Land. Annas Vater ist auch in die Schweiz gereist und erwartet sie in Zürich am Bahnhof. Überglücklich fällt sich die ganze Familie in die Arme. Für einige Tage ziehen sie in ein sehr gutes Züricher Hotel.

    Sie hatten sich alle viel zu erzählen. Annas Vater wird auch dort von Zeitungen engagiert, um Artikel gegen Hitler zu schreiben. Plötzlich bekommt Anna eine schwere Grippe. Es sieht nicht gut für sie aus, aber sie übersteht sie. In der Zwischenzeit sind in Deutschland Wahlen. Hitler kommt an die Macht und ihre Wohnung in Berlin wird konfisziert. Annas Vater erfährt, dass am Morgen nach den Wahlen die Nazis ins Haus gekommen sind und ihnen die Pässe abnehmen wollten. Aber zum Glück waren sie schon vorher abgereist. Sobald Anna wieder kräftig genug ist, ziehen sie aus dem teuren Hotel aus und in das Gasthaus Zwirn auf einem Dorf. Es liegt direkt am Zürichsee. Anna geht in die Dorfschule und Max in eine Knabenschule in Zürich. Annas 10. Geburtstag verbringt die Familie zusammen mit Geschäftsfreunden ihres Vaters auf einem Dampfer auf dem Zürichsee. Schon beginnen auch die Sommerferien. Max und Anna spielen am liebsten mit den Kindern der Gastwirtfamilie Zwirn. Sie heißen Vrenli und Franz. Eines Tages reist eine deutsche Nazi- Familie an. Deren Kinder dürfen nicht mit Anna und Max spielen, weil sie Juden sind. Vrenli und Franz müssen sich jetzt entscheiden, mit wem sie lieber zusammen sind. Nach einigem Überlegen sehen sie ein, dass die Freundschaft zwischen ihnen und Anna und Max größer ist, als zu den Nazis. Kurz darauf kommt die Großmutter von Anna und Max zu Besuch. Sie wohnt im Süden Frankreichs. Ihr Hund heißt Pumpel und er ist ihr sehr wichtig. Plötzlich verschwindet er und wird kurz danach ertrunken am See gefunden. Oma gibt Hitler die Schuld, denn wäre er nicht gewesen, wäre sie nie zum Zürichsee gelangt. Kurz vor ihrer Abreise schenkt sie Anna und Max Geld. Darüber freuen sie sich riesig.
    In der Zwischenzeit ist Annas Vater nach Frankreich gefahren weil, es in der Schweiz langsam zu gefährlich wurde und er dort nur noch wenige Aufträge zum Scheiben bekommt. Jetzt will er mit seiner Familie vielleicht nach Frankreich ziehen und sich schon einmal umschauen. Annas Mutter würde jedoch lieber nach London ziehen, weil sie die Englische Sprache beherrscht. Nach der Rückkehr schwärmt ihr Vater von Frankreich. Er würde dort arbeiten können. Doch die Mutter ist skeptisch. Beide wollen noch einmal zusammen nach Frankreich fahren um sich zu entscheiden, ob sie dorthin ziehen wollen. In dieser Zeit sollen Anna und Max alleine in der Pension bleiben. Die Eltern schreiben Anna und Max jeden zweiten Tag eine Postkarte. Als eine Belohnung von tausend Mark auf den Kopf von Annas Vater durch die Nazis ausgesetzt wird und am nächsten Morgen auch keine Postkarte aus Paris in der Pension ankommt, bekommt Anna große Angst um ihren Vater. Kurz darauf kommt ihr Vater aber unbeschadet aus Frankreich zurück.

    Die Mutter bleibt in Paris um alles für die Ankunft der Kinder vorzubereiten. Auf dem Bahnhof erleben sie noch ein großes Mißgeschick. Sie steigen aus Versehen in den Zug, der nach Stuttgart fährt. Glücklicherweise merkt Anna dies vor der Abfahrt und sie können noch in den richtigen Zug nach Paris umsteigen. In Paris ziehen sie in eine Etagenwohnung und Anna und Max erhalten Französischunterricht. Am Anfang gibt es einige Mißverständnisse in der neuen Sprache, aber schon nach kurzer Zeit besuchen Anna und Max wieder eine Schule. Anna findet eine neue Freundin, Corlette. Die Sprache macht Anna zwar noch zu schaffen, dafür ist sie in Mathe um so besser. Die Familie hat nicht mehr so viel Geld, weil die französischen Zeitungen dem Vater nicht viel für seine Artikel bezahlen. Deshalb sind sie besonders sparsam und Anna läuft immer noch in ihren alten Kleidern herum. An einem Donnerstagmorgen, an dem Anna schulfrei hat, geht sie mit ihrer Mutter Großtante Sarah besuchen, die auch in Paris wohnt. Sie sammelt für notleidende Kinder Stoffreste und schenkt davon einige Anna. Darüber ist Annas Vater überhaupt nicht erfreut, weil er nicht will, dass seine Familie „Spenden“ annimmt.

    Durch Zufall trifft die Familie auf die Ferdinants, einer von früher befreundeten Familie. Weil Annas Mutter nicht nähen kann, bittet sie Frau Ferdinant ihr zu helfen. Darauf entwickelt sich eine große Freundschaft zwischen den zwei Familien und sie treffen sich wöchentlich zu einen Spielenachmittag. Kurz vor den Sommerferien gibt es Zeugnisse, die bei beiden erstaunlich gut ausfallen und sie werden versetzt. In den Sommerferien fährt die Familie in die Schweiz zu den Zwirns. Die Ferien vergehen schnell. Als sie wieder in Paris sind, kann Anna wie von selbst fließend Französisch, ohne alles erst ins Deutsche zu übersetzen. Zu Weihnachten kann die Familie noch weniger Geld ausgeben als im vorigen Jahr, aber dafür ist es wegen den Ferdinants viel lustiger. Kurz vor Ostern kommt Annas Oma bei ihrer Großtante zu Besuch. Sie bringt allen Geschenke mit und sie machen mehrere Ausflüge zusammen.
    Anna soll vor den Sommerferien in der Schule ein Zertifikat für zwölfjährige Kinder machen, obwohl sie erst knapp ein Jahr in eine französische Schule geht. Die Geldsorgen der Familie werden größer, weil Annas Vater wegen der Wirtschaftskrise weniger Artikel für die Zeitungen schreibt. Nach den Examensprüfungen sind alle sehr gespannt, ob sie es bestanden haben. Anna hat es bestanden. Sie ist sogar unter den zwanzig besten und bekommt deswegen vom Pariser Bürgermeister einen Preis überreicht. In den Sommerferien verreist die Familie nicht, da sie nicht genug Geld haben.

    Annas Vater schreibt ein Drehbuch über einen Napoleon Film, aber wegen der Wirtschaftskrise will es niemand verfilmen. Als sie einmal die Miete einen Tag zu spät bezahlen, wird die Hausbesitzerin sehr böse und beschimpft sie, warum sie überhaupt noch in diesem Land wohnen. Darauf beschließen Annas Eltern nach England auszuwandern. Plötzlich erreicht sie die gute Nachricht, dass eine englische Filmgesellschaft das Filmmanuskript von Annas Vater annimmt. Sie bezahlen ihm 1000 Pfund dafür. Die Familie kündigt ihrer Vermieterin und macht sich auf den Weg nach London.

     

  • Sophokles Antigone 2.Standlied d. Chors: Texterschließung, Analyse & Menschenbild

    Gliederung:

    1. Differenzen im Menschenbild verschiedener Kulturen

    2. Erschließung des zweiten Standliedes
    2.1. Strukturierende Inhaltsangabe
    2.1.l.  Seligpreisung (Vers 583)
    2.1.2. Macht d. Götter (Vers 584 & 585)
    2.1.3. Bedrohung des Menschen durch die Natur (Vers 856 – 591)
    2.1.4. Beständigkeit des Fluches beim Geschlecht der Herrscherfamilie Thebens (Vers 594 – 602)
    2.1.5. Gegensatz von Götterglanz d. Zeus und Menschenunheil (Vers 604 – 613)
    2.1.6. Hoffnung und Erkenntnis (Vers 615 – 625)

    2.2. Menschenbild des Dramas und die damit verbunde sprachliche Analyse der Passage
    2.2.1. Mensch als herrschendes Wesen
    2.2.2. Mensch als ohnmächtiges Wesen

    3. Vergleich des Menschenbildes der griechischen Antike und des antiken bzw heutigen Christentums

    Die Menschen, das sind wir, die auf der Erde schalten und walten. Jeder Erdteil beherbergt die unterschiedlichsten Rassen, Religionen und Kulturen, was unter anderem ein Grund für die vielen
    verschiedenen Ansichten, was die Position des Menschen betrifft, ist. Das Menschenbild hängt sehr oft von der jeweiligen Religion ab. So werden Menschen und Gott in vielen asiatischen Glaubensrichtungen als Einheit von Schöpfer und Schöpfung gesehen. In der griechischen Antike dagegen  wird man mit einem komplett anderem Verständnis von der Rolle des Menschen konfrontiert. Das, von Sophokles verfasste, Drama der Antigone verschafft einen klaren Eindruck des damaligen Menschenbildes.

    Der Chor, der permanent in diesem Stück auftaucht beschreibt oft die, zu der Zeit herrschenden, Verhältnisse und Anschauungen. So auch im zweiten Standlied des fortgeschrittenen Dramas.
    Es beginnt bei Vers 583, wo der einleitende Satz jene Menschen preist, deren Leben frei von einem Fluch ist.
    Somit wird zum zentralen Thema, nämlich eben solch ein Fluch, hingeführt.
    Die nächsten beiden Verse, Vers 584 zbd 585, befassen sich mit der Macht der Götter. Sie sind es, die unser Leben negativ beeinflussen können und sollte dies geschehen, haben die Generationen keine Möglichkeit dem zu entkommen sondern müssen die Schmach ertragen.
    Die urgewaltige Macht der Götter beinhaltet auch die Gewalt der Natur, welche die Menschen bedroht. In dem Abschnitt von Vers 586 bis 591 wird die Zerstörungskraft der Elemente beschrieben.
    Die zweite Strophe, die Vers 594 bis 602 umfasst, beschäftigt sich mit der Geschichte des Herrschergeschlechts von Theben. Eben solches Unheil zieht sich seit Anbeginn der Zeit durch diese Familie und trifft nun auch Antigone, die durch Kreons „gedankenloses Wort und Geist der Rache“ (V.602) zum Sterben verurteilt wurde.
    Götter sterben nicht und sind für alle Zeit und Zukunft frei von Schuld auch wenn sie Unheil zulassen. Zeus wird angerufen und dessen Macht dargestellt.  Doch die Menschen sind der Gesetzmäßigkeit des Lebens voller Leid unterworfen und gezwungen dieses zu bestreiten. Dieser Gegensatz und wird in den Versen 604 mit 613 beschrieben.
    In den folgenden Versen 615 bis 625 spielen Hoffnung, Weisheit und Erkenntnis eine entscheidende Rolle. Die Hoffnung ist vielen Leidtragenden ein Trost, bis jene erkennen, wie ahnungslos sie bis jetzt ihren Weg gegangen sind. Sie haben nicht bemerkt, dass das was Gut zu sein schien in Wahrheit schuldbringend war und es nur kurze Zeit so ausgesehen hatte, als wäre das, von den allmächtigen Göttern gewollte, Schuldbringende gut.

    Der Götterwille steht weit im Vordergrund, allerdings wird zu Beginn des Dramas ein Selbstverständnis der Menschen in einer herrschenden Position deutlich. Im ersten Standlied  wird die Unterwerfung der Tiere und der Natur (erste und zweite Strophe), sowie die Harmonie zwischen Göttern und Menschen und das Dasein derer als entwickelte, selbstständige und geistreiche Wesen (dritte und vierte Strophe) behandelt.
    Neben diesem positiven Verständnis dominiert allerdings auch ein anderes Bild des Menschen. Dieses durchläuft im gesamten Drama eine Modifikation. Im zweiten Standlied wird es zunehmend negativer. Es wird vor allem die Ohnmacht des menschlichen Wesens betont. Zum einen Ohnmacht, einen Fluch zu unterbrechen und ihn von der Familie abzuwenden. Die Synekdoche für Familie („Haus“) wird in Vers 584 verwendet um diese Vererbung zu verdeutlichen. Weitere Synekdochen in Vers 594 („Labdakos’ Stamm“ für die Herrscherfamilie Thebens) und in Vers 600 („letztem Spross des Ödipus“ für Antigone die, neben Ismene, letzte Nachfahrin der Königsfamilie ist) bekräftigen diese Aussage.
    Zum anderen Ohnmacht, dem von den Göttern bestimmten, Unheil entgegenzuwirken, bzw gegen die Macht der Götter anzukommen. Das zweite Standlied ist in vier Strophen, zu je sieben Verse gegliedert. Wie man auch aus der Bibel kennt, ist die Zahl sieben eine bedeutungsvolle göttliche Zahl, die in diesem Fall auch die Herrlichkeit und Macht der Götter ausdrückt. Die rhetorische Frage, in den Versen 604 mit 605, betont ebenfalls noch einmal die Göße des Zeus. In Vers 586 verstärkt wieder eine Synekdoche („Thrakerstürme“ für die alten Götter des Urvolkes) den Einfluss der Gottheiten. „Olympos’ [lichter] Glanz“, ein Pleonasmus in Vers 610 unterstreicht ebenfalls die gewaltige Stärke des Götterwillens, gegen den die Menschheit nichts auszurichten vermag. Und war anfangs im ersten Standlied noch die Rede von der Übermacht des Menschen über die Natur, so bekräftigt eine metaphorische Ausdrucksweise, wie in den Versen 586 bis 591 die Ohnmacht dessen.
    Durch gehäufte Enjambements werden einzelne Ausdrücke hervorgehoben und ihre Relevanz somit deutlich gemacht. In den Versen 616 und 617 findet sich eine Anapher, die noch einmal bekräftigen soll, wieviele Menschen doch ahnungslos nach dem Willen der Götter leben und handeln.

    Die dominierende Überzeugung damals war also, dass die Menschen von den Göttern geführt und gelenkt wurden und ein vorbestimmtes Schicksal hatten, an dem nichts zu ändern war. Götter wurden als bestrafend und unheilbringend angesehen und einem jeden Individuum, welches keine große Bedeutung hatte, war ein solches Leben bestimmt. Eine ähnliche Sichtweise zeigt auch das Alte Testament. Auch dort wurde Gott als strafender und leidbringender Gott gesehen und dementsprechend wurden die Gläubigen unterworfen und waren in dieser Hinsicht ebenfalls ohnmächtig, dem Leiden zu entgehen. Mit der Entstehung des Neuen Testaments hat sich diese Einstellung jedoch stark geändert. Gott, wie wir ihn heute kennen, ist gütig und verzeihend und versucht jedes Unheil von uns abzuwenden. Damals war dieses Menschenbild wohl noch notwendig um die Menschen dem Herrscher mit Hilfe der Götter untertänig bleiben zu lassen. In der heutigen Zeit unserer modernen Gesellschaft mit starken Individuen wäre ein solches Selbstverständins jedoch undenkbar. Wir müssen nicht geführt werden, denn wir können mit Gottes Unterstützung unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.

  • Gottfried Benn und der Nationalsozialismus

     Gottfried Benn und der Nationalsozialismus

    Personen: 1. Gottfried Benn vor 1933, 2 Gottfried Benn 1933-1934(für den Nationalsozialismus), 3 Die Zeit der Ernüchterung und die Zeit des Zurückziehens, 4 Benn nach 1945, Max Herrmann Neise, kommunistische Mitglieder des Redaktionskomitees, Klaus Mann, das schwarze Korps
    Kunst und Staat(Benn vor 1933)
     „ es ist schwierig, in die Problematik der Kunst und ihrer Stellung einzubringen, da sie die Problematik der geschichtlichen Bewegung an sich umschließt, ihrer Regungen, ihres Charakters und ihres Untergangs. Es ist schwierig, in diese Problematik einzudringen, da es wie bekannt, eine grundlegende Soziologie der geschichtlichen Bewegung nicht gibt. Immer wird die kollektivistische Hypothese der individualistischen gegenüberstehen, immer die Theorie vom Sichtschichtung der des Führers, des großen säkularen Typs, in dem das Besondere und das Allgemeine magisch koinzidiert. Aber von wo immer man sich dem Phänomen des historischen Prozesses nähert, ob mit der synoptischen oder mit der kausalgenetischen Methode, ob man das Einheitliche betont oder da Katastrophale, eines wird sich wohl beschreiben lassen, wenn man die Beziehung überdenkt: erhielte sich ein Staat durch Straßenbeleuchtung und Kanalanlagen, wäre Rom nie untergegangen -: immanente geistige Kraft wird es wohl sein, die den Staat erhält, produktive Substanz aus dem Dunkel des Irrationalen. Und hier könnte die Stelle sein, wo es politisch wird. Das an sich nihilistische Problem der Kunst.“

    Die erste Konfrontation der Kunst und der Politik: Politisierung der Kunst
    1928 Benns Gesammelte Prosa, Max Herrmann Neise widmete Benn in einer Literaturzeitschrift. eine begeisterte Besprechung“ Es gibt auch in dieser Zeit der literarischen Lieferanten politischer Propagandamaterialien das Beispiel eines unabhängigen, überlegenen Welt-Dichters. Es gibt neben dem kess intellektuellen Publikumsliebling, dessen Vokabularien, snobistische Allüre, zu Nichts verpflichtender Radikalismus leicht eingehen, den wirklich, naturhaft selbstständigen Geist, dessen urwaldblühender Nihilismus in Wort und Logik ganz vom Neuen beginnt. Es gibt Gottfried Benn.“
    Die kommunistischen Mitglieder des Redaktionskomitees erklären daraufhin demonstrativ ihren Austritt. „ ….Für uns hat der literarische Lieferant polischen Propogandamaterialien turmhoch über dem überlegenen Weltdichter zu stehen, über allen Benns und Stefan Georges.
    Die kommunistischen Parteigenossen  tun alles aus politisch taktischen Überlegungen.
    Vor 33 Benn dazu (1929): Becher und Kisch gehen davon aus, dass jeder, der heute schreibt, es im Sinne der Arbeiterbewegung tun müsse. Warum eigentlich? Schaurige Welt, kapitalistische Welt, seit Ägypten den Weihrauchshandel monopolisierte und babylonische Bankiers die Geldgeschäfte begannen. …. Es gab schon immer Gegenbewegungen. Nach 3 Jahrtausenden darf man sich wohl den Gedanken nähern, dies alles sei weder gut noch böse, sondern rein phänomenal. …..So bist du und du wirst nie anders sein, so lebst du, so hast du gelebt und so wirst du immer leben. Wer Geld hat, wird gesund, wer Macht hat, schwört richtig, wer Gewalt hat, schafft sich recht. Die Geschichte ist ohne Sinn, keine Aufwärtsbewegungen mehr, keine Illusionen. Diese Lehre erscheint mir weit radikaler und erkenntnisreicher als die Versprechungen der politischen Parteien.
    Heinz Ullstein, der Benn mit Heinrich Mann bekannt machte, schreibt: Heinrich Mann nahm die Politik ernst, Benn nicht.
    Benn kannte sich in der hektischen Politik jener zeit überhaupt nicht aus, dazu muss man auch sagen, dass die Politik der Weimarern Republik so unüberschaubar und chaotisch war, dass viele sich den extremen Parteien zuwenden, um die Situation grundlegend zu verbessern, viele aber auch einfach jegliche Hoffnung in ihr verlieren und sich von der Politik abwenden. Dazu gehört eben Benn.
    In dieser Zeit gewahrte er nur eine politische Richtung, nämlich die extreme Linke, die eine übermacht im literarischen Kreis darstellte. Gegen diese Übermacht, mit ihrer lautstark proklamierten Kunstfeindseligkeit, musste Benn sich oft behaupten.
    1932 Benn durch Heinrich Mann als Mitglied der Preußischen Akademie der Künste aufgenommen.
    Ende des Jahres 1932 Benn: „Der ewige Friede auf Erden, der ewige Frühling am Nordpol, der ewige Friede unter einem Geschlecht: Nein, auch nicht unter dem Weihnachtsbaum kann ich mir vorstellen, dass sich die Geschichte demokratisch gibt, ein anderes Sein hat als die Wirklichkeit, andere Methoden als die der Macht und der Gewalt, anderes Gericht über die Völker als Entfaltung oder Untergang….ich bin für ein starkes, tankgesichertes, betonuntermauertes Militärbündnis mit Frankreich, das würde wenigstens für einige Generationen die Welt im Arm wiegen wie ein Wickelkind“
    Mit dem 30.1.1933 begann nicht nur das dritte Reich sondern auch das was man als unverzeihlichen Irrtum oder sogar den Verrat Benns nennt.
    Der Verrat: Benn erklärte sich freiwillig und öffentlich für den neuen Staat
    Durch zwei Vorträge im Rundfunk. Der neue Staat und die intellektuellen (24.4.33),
     noch mehr durch den einen Monat späteren Vortrag: Antwort an die literarischen Emigranten(öffentliche Antwort an Klaus Mann).
    Vorlesen: Antwort an die literarischen Emigranten, Benn 1933-34: Teil-Fassung, Benn Doppelleben S. 82-84
    Vorlesen des Briefes von Klaus Mann (Sohn von Thomas Mann) Benn Doppelleben 77-82(muss noch gekürzt werden)
    Benn nach 1945 dazu: dieser 27 Jährige hatte die Situation richtiger beurteilt, die Entwicklung der Dinge genau vorausgesehen, er war klarerdenkend als ich, meine Antwort war demgegenüber romantisch, überschwänglich, pathetisch……
    Schauen wir seinen Beitrag noch einmal an, ist dies eine Verteidigung des Nationalsozialismus, oder geht es doch um etwas ganz anderes? Benn glaubte damals an eine echte Erneuerung Deutschland, einen Ausweg aus der Erstarrung zu sehen. Er propagierte dafür dass das Volk das Recht habe seinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn dieser Weg von allen Seiten kritisiert wurde.
    Benn glaubte nicht an die Emigration, das Vaterland zu verlassen heißt für ihn fliehen, und dazu sah er keinen Anlass.
    Benn und der Antisemitismus, Benn hat auch während seiner NS freundlichen Phase nie ein Wort gesagt, dass man auch nur im Entferntesten als antisemitistisch interpretieren kann. Er verehrt Else Lasker Schüler, hatte viele jüdische Freunde und Bekannte. Auch von seinem Elternhaus kam keine judenfeindlichen Einflüsse Benn4(Doppelleben): Es wäre völlig ausgeschlossen gewesen, dass in meinem Vaterhaus ein antisemitistischer Gedanke gefasst oder ausgesprochen worden wäre, ein Gedanke gegen ein Volk, aus der Christus hervorgegangen war. Zusammenfassend: Ich hatte nie daran einen Zweifel und bezweifele es auch heute nicht, dass die Periode meines Lebens ohne den nichtarischen Anteil an der Zeit völlig undenkbar wäre.  
    Die Lage in der Preußischen Akademie für Künste, Sektion der Dichtung. Die berühmtesten Mitglieder sind emigriert, ein halbes Dutzend Mitglieder blieben übrig und werden langsam von NS-treuen Autoren bedrängt und verdrängt. Nach Juni 1933 hat Benn nichts mehr von der Akademie gehört oder gesehen.
    Er hatte keine parteinahen Freunde oder Bekannten, kannte noch nicht einmal das Parteiprogramm der NS, hat nie an Sitzungen oder Besprechung über Politik teilgenommen, auch nie Hitlers Buch gelesen.
    Die NS war dem Expressionismus feindlich gegenübergestellt
    Fast alle seine  persönlichen Überzeugungen lassen sich nicht mit denen der Nazis vereinbaren
    Wie kam es, dass er dennoch, wenn auch nur für kurze Zeit die NS unterstützte?
    Er ist in das System hineingestolpert, es war wie er es ausdrückte dem Schicksalsrausch unterworfen und wurde mitgerissen.
    So wie so viele: wieso verzeiht man es ihm nicht, wieso diskutieren die Leute seit 1945 immer und immer wieder dieses Thema? Eben weil der Betreffende nicht ein ahnungsloser und bedeutungsloser Fabrikarbeiter war, sondern Gottfried Benn, einen Menschen, den man sonst verehren möchte. 
    Wie konnte das geschehen:
    Naivität und politische Unkenntnis
    glaubte in zwischen den Zeilen der Nazis Gemeinsamkeiten zu seiner eigenen Auffassung zu erkennen
    Er befürwortet die NS Abneigung gegen den Kommunismus wenn auch aus anderen Gründen
    Benn rebelliert gegen Naturwissenschaft und Humanität, beschwört eine primitive Lebensweise, nach der das „ Blut“ der „ Jugend“ schreit(nazistisches Element)
    Glaubte an die Legalität der neuen Regierung
    Benn war sehr patriotisch, und Heimatgebunden
    erhoffte sich eine Erneuerung und Verbesserung des Kunstverständnisses und der Gesamtlage
    Verlangen nach Rückschritt und Befreiung des Intellekts
    Der Faschismus in Italien als Vorbild, der den Futuristen Marinetti als Exzellenz und Präsident der römischen Akademie der Künste
    Die vermeintliche Sympathie der Nazis für Nietzsche
    später mit der Ansicht die Nazis noch lenken zu können
    Immerhin kann man Benn auch während seiner NS-freundlichen Periode keine Feigheit vorwerfen, ua. Verteidigte er den Expressionismus: Verlesen Teile aus Expressionismus(1933):
    Das Maß an Interesse, das die Führung des neuen Deutschlands den Fragen der Kunst entgegenbringt, ist außerordentlich. Diese großartige Bereitschaft für Dinge der Kunst wird sicher geneigt sein, den geringen Einwand gelten zulassen, den ich im Folgenden über ein bestimmtes Kunstproblem aussprechen möchte. Diese starke Front von Glauben an eine neue große deutsche Kunst ist nämlich zurzeit nicht weniger eine starke Front von Ablehnung des Stils und Formwillens der letzten deutschen Periode, den Expressionismus, der als entartet, anarchisch-snobistisch, als Verhöhnung des Volkes und Kulturbolschewismus bezeichnet wurde. Ein berühmter deutscher Dichter steht nicht an, sich dahingehend zu äußern, dass Deserteure, Zuchthäusler und Verbrecher das Milieu dieser Generation bildeten. Er führt Namen an und darunter auch den meinen. So will ich denn aus diesem Schicksal heraus, zumal ich der Einzige von dieser ganzen zersprengten Gemeinschaft bin, der die Ehre hat, in der neuen deutschen Akademie der Dichtung einen Sitz zu haben, noch einmal vor diese Gemeinschaft treten.Vor ihren Namen treten, die Erinnerungen wachrufen und auf gewisse Dinge zu ihrer Verteidigung hinzuweisen, zur Verteidigung einer Generation, deren erste Blüte der Krieg zerstörte und auf deren Schultern ungeheure existenzielle Lasten lagen. Der Expressionismus ist keine deutsche Frivolität und auch keine ausländische Machenschaft, sondern ein europäischer Stil. Der Futurismus als Stil, auch Kubismus genannt, in Deutschland vorwiegend als Expressionismus bezeichnet, vielfältig in seiner empirischen Abwandlung, einheitlich in seiner inneren Grundhaltung als Wirklichkeitszertrümmerung, als rücksichtloses An-die Wurzel-der-Dinge-Gehen bis dorthin, wo sie nicht mehr individuell und sensualistisch gefärbt, gefälscht, verweichlicht, verwertbar in den psychologischen Prozess verschoben werden können, sondern im akausalen Dauerschweigen des absoluten Ich der seltenen Berufung durch den schöpferischen Geist entgegensehen-, dieser Stil hatte schon seine Vorankündigung im ganzen neunzehnten Jahrhundert.
    Ist es denn überhaupt möglich, dass die Nazis versuchen könnten, aus Benn ein Paradepferd zu machen? Nein dies ist nicht sehr realistisch:
    Benn ist schon immer exotisch, exzentrisch und standhaft: in einem Wort: unangenehm gewesen. Außerdem können aus nicht schwer sichtbaren Gründen keine zeitgenössischen Literaten oder Denker als Paradepferd des NS gehalten werden. Denn wissen ist immer gleich Macht, und macht wird in jedem autoritären Regime beargwöhnt. Die, die man nun als Paradepferde brauchte und missbrauchte waren lange Tod und können sich nicht mehr verteidigen: siehe Nietzsche, Rilke, Hölderling Etc.
    Und so wurde Benn als bald auch schon angegriffen: 1933 bereits wurde Benn von der Liste der Ärzte gestrichen, die bestimmte Atteste ausstellen durften. Wurde beauftragt Anlass des Todes von Stefan Georges eine Rede zu halten, sein Auftreten wurde jedoch untersagt.
    Benn hatte dann 33 schon Zweifel an seiner Überzeugung, 34 folgte die endgültige Ernüchterung. Genauer gesagt zum 30. 6.34 der (Röhm-Revolte), wo einhundert missliebige Persönlichkeiten ohne Urteilsspruch ermordet wurden
    Konsequenzen ziehen: Benn Doppelleben:“ Um mich zurückzuziehen gab es für mich nur einen Weg, er lautet: die Armee“ durch Verbindungen. „ Die Armee ist die aristokratische Form der Emigration“, eine wirkliche Emigration, die durchaus noch möglich war, kam nicht in Frage
    Hannover, Benn3„ Bitte noch eines, wenn ich in ein Büro komme, muß ich da Heil Hitler sagen oder Guten Morgen?“ „ Murmeln sie „Morjen“ das reicht.“
    Drei/ Viertel des Heeres waren keineswegs NS-Anhänger
    1935 Eintritt in das E-Offizierskorps, (Ersatz), Die Offiziere waren von der alten Schule, mit einem ausgemachten Bewusstsein für Ehre und Einfachheit der Lebensführung(Hannover)
    Das schwarze Korps: Der Selbsterreger(1936): Bei manchen und gewissen Leuten ist das Dichten eine Art geistiger Verdauungsprozess, bei dem zwangsläufig übelriechende Blasen aufsteigen. Erinnern wir uns nur des Berserkers Alfred Kerr, dessen Gemauschel die geistigen Mistbeet in Deutschland auf das angenehmste zu fördern wusste. Die Zeiten jener Gedichte eines Tucholsky, Kerr, Kästner und wie sie alle heißen mögen, sind dahin, nur einige vereinzelte von Spinnweben romantisch umzogene und bereits reichlich verwitterte Säulen zeugen vom Untergang jenes Zeitalters. Eine dieser Säulen ist Gottfried Benn, dessen „ Ausgewählte Gedichte“ wir mit tiefer Ergriffenheit in der hand halten. Die Deutsche Verlagsanstalt, die für die munteren Zeilen des „ Selbsterregers“ verantwortlich zeichnet, gibt dem band ein Wort mit auf dem Weg, das unsere Neugier nicht umsonst gereizt hat. Er heißt nämlich „ hier singt der männliche Käpfer, der tragisch heroische Mensch, der den Weg Nietzsches zu Ende ging, ohne umzukehren. Staunend sehen wir uns diesen Weg des aufgenietzschten Herrn Benn an und stellen fest, dass er ein „ Selbsterreger“ ist. Wenigstens glauben wir, ihm keineswegs Unrecht damit anzutun, wenn wir das Gedicht „ Selbsterreger“ auf ihn selbst beziehen. 
     Benn3:

     Dir-von Sonnenblumen,
    abgeloschnem Beet,
    die von Altertumen,
    das zur Rüste geht,
    Vendraminpalästen,
    tödlichem lagun,
    wo das Herz in Resten
    und die Blicke ruhen

    Dämmerungen-keine
    Allgemeintendenz,
     manchmal rührt ihn eine
    leise Immanenz,
    ihn, den Selbsterreger,
    Stern und Sternentraum,
    den Bewusstseinsträger
    stumm im Eigenraum….

    Das schwarze Korp weiter: Gib es auf, Dichter Benn, die Zeiten für derartige Ferkeleien sind endgültig vorbei. Das Publikum kann schließlich nicht feststellen, ob es sich bei oben wiedergegebenen Extrakten um sogenannte „ Jugendverirrungen“ handelt. Verwunderlich ist noch die deutsche Verlagsanstalt, die es im Jahre1936 wagt, eine derartige Geistesverblödung ins Volk zu tragen und zum Überfluss noch den Hersteller als Dichter mit deutschen Heroen vergleicht.
    Benn3 im Brief an Frank Maraun: „ Ich bin einöffentliches Ferkel. …alles bekämpfen sie, bloß selber leisten, das können sie nicht. …Ich dachte was geschähe wenn heute Penthesilea erschiene. Eine Frau, die einen Mann liebt, Archill, ihn tötet und mit den Zähnen zerreißt! Zerfleischt! Sind wir denn Hunde, wir sind Germanen! Perverser Adliger wagt seine vertierte Brunst Germanenfrauen vorzusetzen! Degenerierte Offiziers- und Junkerkaste besudelt mit schmutzigsten Orgasmen keusches deutsches Heldenweib! U.s.w. Kurz: Kleist lebte nicht lange.“ 
    Der Vorgesetzter Benns in der Armee: Das schwarze Korps ist ein solches Saublatt, es kann einen Offizier gar nicht beleidigen-wenn es sie lobte, wäre es anders-der Fall ist erledigt. Sie bleiben.
    So ähnliche Situationen gab es auch noch öfter, obwohl Benn seit 36 nichts mehr veröffentlicht hat. Doch dank das Wohlwollen der Vorgesetzten und großes Glück überlebte er die Angriffe und durfte auch seine Stellung als Offizier behalten.
    Benn wurde später nach Berlin zurückversetzt, VERLAG Lehmann“ Säuberung des Kunsttempels.
    1938 Schreibverbot:
    Notiz Benn in seinen Notizbuch
    Expressionist!
    Eine Münze wird man dir nicht prägen,
    wie es Griechenland für Sappho tat,
    dass man dir nicht einschlägt deinen Brägen,
    ist in Deutschland schon Kultur-verrat
    Da Benn als belastet galt, hatte er nur noch wenig Freunde und Bekannte
    Block II, Zimmer 66, In der Kaserne, „ wo Leute aufgebildet werden und zur Front verfrachtet werden
    Benn zu Propaganda der NS: Doppelleben S. 135
    Dann das Ende, seine Frau stirbt(Selbstmord)
    „ Du stehst für Reiche, nicht zu deuten, und in denen es keine Siege gibt,

    und Heißt dann: schweigen und walten,
    wissend, dass sie zerfällt,
    dennoch die Schwerter halten,
    vor der Stunde der Welt.
     

  • Interpretation Dantons Tod – sehr sehr ausführlich!

    Interpretation Dantons Tod

    In der Krise des Germinal zeigt sich das Scheitern der Französischen Revolution als "soziale" Revolution im Sinne des Volkes. Robespierre und die jakobinischen Führer im Wohlfahrtsausschuss zielen auf ein Bündnis mit der Volksbewegung. Die durch den Krieg und die Konterrevolution im Innern noch verschärfte soziale Krise der Jahre 1793/94 setzt unübersehbar den Gegensatz von Arm und Reich auf die Tagesordnung der bürgerlichen Revolution. Dies erkennend, strebt die Revolutionsregierung eine politische Integration des Volkes in das jakobinische Modell einer bürgerlichen Revolution an. Die sozialen Maßnahmen des Wohlfahrtsausschusses (staatliche Eingriffe in die Wirtschaft) werden dagegen nur zögernd und halbherzig vorangetrieben. Das Bündnis zwischen dem mittleren Bürgertum, das von der Revolution politisch und ökonomisch profitiert hat, und der Sansculottenbewegung der Handwerker und kleinen Händler, der sich auch Gesellen und Lohnarbeiter anschließen, ist von vornherein brüchig.
    Die Jakobinerdiktatur scheitert nicht zuletzt an dem Klassenwiderspruch, der ihrer sozialen Basis eingelagert ist. Der Position der Mitte, die Robespierre gegenüber der bürgerlichen Rechten (Anhänger der entmachteten Gironde) und der extremen Linken (Enragés, Hébertisten) beansprucht, fehlt eine wirksame gesellschaftliche Verankerung. Robespierres spiritualistisch motivierter Tugendkult suspendiert die soziale Frage, statt sie zu lösen.
    Er leugnet die soziale Dimension der Terreur des Volkes, an deren Stelle die moralisch legitimierte Schreckensherrschaft des Staates treten soll.
    Der jakobinische "Despotismus der Freiheit" begibt sich zusehends einer breiten politischgesellschaftlichen Legitimation. Durch die Beseitigung der extremen Linken und der gemäßigten Fraktion um Danton (Indulgents) versuchen die Jakobiner um Robespierre diesen sozialen Widerspruch mit Gewalt abzuschaffen. Die jakobinische Diktatur der Mitte gerät noch stärker in die gesellschaftliche Isolation, die schließlich mit dem Sturz Robespierres am 9. Thermidor des Jahres II (27. Juli 1794) ihre eigene Liquidierung zur Folge haben wird. Durch diese Ereignisse wird die Entmachtung der Volksbewegung, die bereits von der Revolutionsregierung vorbereitet wurde, zu Ende geführt. Dem Volk, dessen wiederholte Mobilisierung gegen die Feinde der Revolution innerhalb und außerhalb Frankreichs der Bourgeoisie zum Sieg verholfen hat, wird endgültig der Platz auf der Verliererseite der bürgerlichen Revolution angewiesen. Erst jetzt wird die Lösung der "sozialen Frage" in Angriff genommen: im Sinne des kapitalistischen Bürgertums. Büchners dramatische Autopsie der Französischen Revolution legt schonungslos die klassenbedingte Borniertheit der bürgerlichen Positionen frei. Sie demonstriert aber zugleich die Unfähigkeit des Volkes, die Rolle eines Subjekts im historischen Prozess der Revolution zu übernehmen. Der politische Diskurs in Dantons Tod steht im Zeichen radikaler Ideologiekritik. Die irritierend perspektivische Darstellung des Volkes und der beiden bürgerlichen Fraktiosellschaftliche Isolation, die schließlich mit dem Sturz Robespierres am 9. Thermidor des Jahres II (27. Juli 1794) ihre eigene Liquidierung zur Folge haben wird. Durch diese Ereignisse wird die Entmachtung der Volksbewegung, die bereits von der Revolutionsregierung vorbereitet wurde, zu Ende geführt.

    Dem Volk, dessen wiederholte Mobilisierung gegen die Feinde der Revolution innerhalb und außerhalb Frankreichs der Bourgeoisie zum Sieg verholfen hat, wird endgültig der Platz auf der Verliererseite der bürgerlichen Revolution angewiesen. Erst jetzt wird die Lösung der "sozialen Frage" in Angriff genommen: im Sinne des kapitalistischen Bürgertums.

    Büchners dramatische Autopsie der Französischen Revolution legt schonungslos die klassenbedingte Borniertheit der bürgerlichen Positionen frei. Sie demonstriert aber zugleich die Unfähigkeit des Volkes, die Rolle eines Subjekts im historischen Prozess der Revolution zu übernehmen. Der politische Diskurs in Dantons Tod steht im Zeichen radikaler Ideologiekritik. Die irritierend perspektivische Darstellung des Volkes und der beiden bürgerlichen Fraktioeine schon frühzeitig ausgeprägte Ablehnung des bürgerlichen Liberalismus. Sie überliefern zudem Büchners tiefe Verachtung für politische Theatralik, für jede pseudorevolutionäre Pose, die sich unkritisch glorifizierend auf das bürgerliche Heldenzeitalter der Französischen Revolution zurückbezieht. Aus kritischer Distanz wird ebenso das Junge Deutschland betrachtet, zu dem Büchner neben Karl Gutzkow ausdrücklich auch Heinrich Heine rechnet. Eine grundlegende Verkennung der gesellschaftlichen Verhältnisse führe dort zu einer Überschätzung der bürgerlichen Intelligenz und des literarischen Mediums, das auf die Bildung der gesellschaftlichen und religiösen Ideen Einfluss nehmen soll: "Die Gesellschaft mittelst der Idee, von der gebildeten Klasse aus reformieren? Unmöglich!" Mit der Französischen Revolution von 1789 verfügten Büchners Zeitgenossen über ein historisch verbürgtes Modell politischen Handelns, in dessen Rahmen die eigenen politischen Positionen zugleich formuliert und legitimiert werden konnten. Während sich aber ein großer Teil der bürgerlichen Opposition im Vormärz um eine ideologisch motivierte Aktualisierung der historischen Programme der bürgerlichen Revolution bemühte, ging es Büchner im Gegenteil um eine konsequente Historisierung gegenwärtiger Probleme der politischen Praxis der sozialen Revolution. Der Rekurs auf die Geschichte ist somit politisch motiviert.

    Das ästhetisch verdichtete Modell der bürgerlichen Revolution bewirkt eine gesteigerte Reflexivität des politischen Bewusstseins, das seinen eigenen Standort im Prozess der Kritik der bürgerlichen Programme und Positionen gewinnt. Wenn also Büchner nachträglich in das bereits abgeschlossene Manuskript von Dantons Tod eine Reihe von Heine Zitaten einfügte, die das Stück durchsichtig auf die zeitgenössische Kontroverse um "Sensualisten" und "Spiritualisten" beziehen, so geht dies keineswegs mit einer Aufhebung des strengen Perspektivismus im politischen Diskurs des Dramas einher. Vielmehr unterstreicht die Einbeziehung der Börne-Heine-Debatte, als ein kalkulierter Anachronismus neben anderen, gerade das Bemühen um eine objektivierende Historisierung aktueller politischer Auseinandersetzungen im fortschrittlichen bürgerlichen Lager. Das Ergebnis des "projet idéologique" (Th. M. Mayer) ist auch in diesem Fall negativ. Die historischen wie die gegenwärtigen Programme der bürgerlichen Opposition erweisen sich sämtlich als untauglich, die soziale Revolution des Volkes zu befördern. Auf der Ebene des politischen Diskurses verharrt das Stück in der radikalen Negation. Büchner fand in seiner Zeit keine revolutionäre Situation vor, die eine risikoreiche politische Tätigkeit auf Dauer hätte rechtfertigen können. Zudem hat die politische Reflexion in Dantons Tod den Entwurf eines revolutionären Handlungsmodells sicher erschwert.

    Gleichwohl bedeutet dies nicht notwendig Resignation, und es ist wohl nicht Koketterie, wenn Büchner im Mai 1835 an Gutzkow schreibt: "Mein Danton ist vorläufig ein seidenes Schnürchen und meine Muse ein verkleideter Samson." Im ästhetischen Medium praktiziert Büchner revolutionäre Ideologiekritik: ein Jahrzehnt vor Marx werden zentrale Positionen der bürgerlichen Opposition einer materialistischen Kritik unterzogen. Das in Dantons Tod praktizierte Verfahren der dramatischen Ideologiekritik muss zugleich als zentrale Vermittlungsform eines ästhetischen Realismus gelten, der so direkt auf die politische Intention des Stücks verweist. An der Verwendung der Theatermetaphorik in Dantons Tod lässt sich die Genese dieses kritischen Realismus exemplarisch veranschaulichen: Der ästhetische Diskurs des Stücks ist fundiert in einem neuen Wirklichkeitsbegriff, der aus der ideologiekritischen Analyse einer umfassenden Theatralisierung der Politik gewonnen wird. Die Kritik der gesellschaftlichen Vorstellungen wird überführt in eine Fundamentalkritik der gesellschaftlichen Produktion von Wirklichkeit, wobei der kritische Realismus weit über die Ergebnisse des "Kunstgesprächs" (35 f.) hinausgeht. Zwar gelangen Danton und Camille zu einer ersten Thematisierung der fatalen Theatralisierung der Wirklichkeit, doch verbleiben ihre eigenen ästhetischen Konzepte vage, und auch die kunsttheoretische Reflexion in Lenz bewegt sich auf der Ebene eines vergleichsweise naiven Realismus, der die Mittelbarkeit der Kunst beharrlich unterschätzt. Die neue politischästhetisch fundierte Strategie des Realismus wird erst auf der Ebene der dramatischen Struktur eingelöst.

    Als Geschichtsdrama kann Dantons Tod nur in einem spezifisch eingeschränkten Sinn gelten. Eine neue, eigenständige Deutung der Geschichte der Französischen Revolution ist eher die politische Prämisse als das Ergebnis des "dramatischen Versuchs", der einen "Stoff der neueren Geschichte" behandelt.

    Vielmehr wird das politische Drama der Revolution in dem Maße zum Geschichtsdrama, wie Geschichte in ihm als eine transzendentale Bedingung politischen Handelns an Bedeutung gewinnt. Das historische Modell der bürgerlichen Revolution wird zum exemplarischen Vorwurf für die dramatische Reflexion der Grenzen und Möglichkeiten eines subjektiven Eingriffs in den geschichtlichen Prozess – im Handlungsraum des Dramas wird der Spielraum historischer Subjekte vermessen. Das unvermeidliche Scheitern der sozialen Revolution und die unaufhebbaren Widersprüche des politischen Handelns lösen eine transzendental gerichtete geschichtliche Reflexion aus, die die vielfältige Bedingtheit menschlichen Handelns zum Gegenstand hat. Der berüchtigte "Fatalismus-Brief" vom März 1834 formuliert bereits umfassend den Problemhorizont der dramatischen Reflexion über Geschichte, die kaum zufällig in Danton als einem Opfer der Geschichte Gestalt gewinnt. Auch den historischen Diskurs in Dantons Tod lässt Büchner radikal negativ enden: Die Aporien geschichtlichen Handelns werden nicht aufgelöst. Die unbegriffene Geschichte, die das geschichtliche Handeln des Subjekts unabweislich mit dem Stigma des Absurden versieht, führt Danton zeitweise in das Extrem einer nihilistisch artikulierten Verzweiflung an der Welt.

    Die Negativität des Dramas wird tendenziell durchbrochen in einer Sphäre, die als private und intime der geschichtlichen Sphäre politischen Handelns diametral gegenübersteht. Im Angesicht des Todes, dessen sinnhafte Aneignung im historischen Diskurs nicht gelingen mag, scheint mit den intimen, von zwischenmenschlicher Verständigung getragenen Beziehungen Dantons zu Julie und Camilles zu Lucile die Aufhebung von Entfremdung und Isolation möglich. Zu den zentralen Problemen einer Deutung von Dantons Tod zählt daher die Frage, ob die besonders im letzten Akt des Dramas stärker akzentuierte Privatsphäre als Ausdruck politischer Ratlosigkeit und Resignation, als unverbindlicher Fluchtraum der privaten Existenz verstanden werden muss, oder ob die private Sphäre als bestimmte Negation kritisch auf den politischen Diskurs des Stücks bezogen bleibt.

    Die Interpretation wird zunächst Aspekte des politischen, des ästhetischen und des historischen Diskurses in Dantons Tod behandeln und sich abschließend der Frage nach der Funktion der Privatsphäre zuwenden.
    Widersprüche politischen Handelns in der bürgerlichen Revolution
    Danton und die Dantonisten

    Ein zentrales Thema des politischen Diskurses in Dantons Tod ist die Einschätzung revolutionärer Gewalt: die Legitimation der Terreur und des "Despotismus der Gewalt". Zynische Kommentare der Dantonisten, die treffsicher die Schwächen des politischen Gegners erkennen und kritisieren, eröffnen den politischen Diskurs (6 f.). Robespierres atavistischer Kult der Tugend und die neue Opferreligion, die das System der mechanischen Massentötung mühsam mit dem Schein einer realitätsfernen revolutionären Romantik zu bemänteln sucht, demonstrieren die Unfähigkeit der jakobinischen Diktatur der Mitte, der Revolution ein soziales oder politisches Ziel zu setzen. Die Revolution ist zum Selbstzweck geworden; die Terreur dient primär dem Machterhalt der jakobinischen Führungsclique. Freilich findet die scharfsinnige Kritik der jakobinischen Fraktion nicht ihr Gegenstück in einer politisch reflektierten Selbstkritik der Dantonisten. Die mögliche revolutionäre Legitimation der Gewalt und des "Despotismus der Freiheit", also deren politische und soziale Funktion, tritt nicht in den Blick. Die dantonistische Forderung nach einem "Aufhören" (7) der Revolution, die durchsichtig an die girondistische Position 1792/93 anknüpft, ist politisch naiv und betreibt im Grunde die Sache der bürgerlichen Reaktion. Die Gefährdung der Revolution durch die Aufstände im Innern, den Krieg, die Versorgungskrise und durch den Hunger des Volkes wird einfach ausgeblendet. Das dantonistische Programm trägt daher den Charakter einer unpolitischen, praxisfernen Setzung, einer unverbindlichen Proklamation ohne auch nur die geringste Chance auf Realisierung. Mag es in der Auffassung des Staates, der menschlichen Natur und im kategorischen Imperativ des Genusses auch Ansätze zu einer sensualistischmaterialistischen Sozialutopie geben – die schwärmerisch ästhetisierende Rhetorik der Verkündung und die zynische Antithese zu den dringendsten Bedürfnissen einer sozialen Revolution, die in der folgenden Szene mit der Darstellung des verelendeten Volkes drastisch vor Augen geführt werden, qualifizieren das dantonistische Programm in der gegebenen Situation als reaktionär. Der Luxuskult der Merveilleuses und der Incroyables sowie der Vergnügungsrausch der Jeunesse dorée während der Thermidor-Zeit entlarvten das volksverachtende Wesen dieses Programms.

    Der Sozialcharakter des dantonistischen Programms wird durch die ihm zugedachte gesellschaftliche Basis noch einmal unterstrichen: "Wir und die ehrlichen Leute" (8). Die Gemäßigten denken keineswegs an eine Koalition mit der Volksbewegung. Das Volk, dem Danton die politische Reife eines Kindes zubilligt – "das Volk ist wie ein Kind, es muss alles zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt" (23) – kommt als Adressat für die Genussvariante der bürgerlichen Revolution zwangsläufig nicht in Betracht. In der zynischen Sichtweise der Dantonisten macht die materielle Verelendung das Volk unfähig zum Genuss, ist also die Tugend der Enthaltsamkeit einer Deformation der Genussorgane geschuldet. Das Volk, so Danton, "hasst die Genießenden wie ein Eunuch die Männer" (23). "Wir und die ehrlichen Leute": Als Zielgruppe des dantonistischen Programms wird das wohlhabende Bürgertum, die soziale Stütze der Thermidor-Zeit, ins Auge gefasst.

    Schon zu Beginn des Dramas wird Danton sorgfältig von seinen Anhängern unterschieden. Er ist nicht an der Formulierung ihres Programms beteiligt und weiß bereits, dass die Revolution ihrer eigenen Logik folgt.

    Im Hinausgehen, zwischen Tür und Angel, prophezeit er, dass der revolutionäre Prozess noch nicht beendet ist, dass das Opfer der eigenen Fraktion noch bevorsteht; später wird er auch das gewisse Ende Robespierres voraussagen. Das prophetische Vermögen hat jedoch seinen Preis: Die Erweiterung der politischen Reflexion wird mit einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit bezahlt. Von vornherein geht Danton auf Distanz zur Sphäre politischen Handelns. Seine chronische Handlungsverweigerung ist das Resultat eines Reflexionsprozesses, der die aktuelle politische Situation bewusst überschreitet. Die gleich anfangs inszenierte Spielmetapher benennt die Danton verbliebene Praxisform, der, jedenfalls zeitweise, eine existentielle Setzung fehlt: Dantons Handeln ist Spiel, ein Handlungsspiel, das sich mit dem Vollzug des als unvermeidbar begriffenen revolutionären Geschehens aus der Distanz der Reflexion zu vermitteln sucht. Daher bleibt die Position Dantons auf der Ebene des politischen Diskurses relativ unergiebig. Seine letzten öffentlichen Auftritte zeigen den spielerischen Nachvollzug einer Handlungsrolle, die die Revolution für ihren "toten Heiligen" bereitgestellt hat. Die Reden vor dem Revolutionstribunal (52 ff. und 62 f. ) formulieren den Abgesang eines gescheiterten Revolutionärs; in der Selbstapologie eines Helden der Revolution versucht Danton – vergeblich, wenn auch unter dem Beifall der Versammlung – den historischen Sinn der eigenen Geschichte in der Geschichte der bürgerlichen Revolution einzuklagen.

    Robespierre, St. Just und die Jakobiner Im Gegensatz zur dantonistischen Fraktion, die weitgehend handlungsunfähig an der Peripherie des revolutionären Geschehens steht, das sich ihrer nur mehr als Opfer zu bedienen weiß, stellen die Jakobiner mit Robespierre und St. Just die revolutionären Führer des Tages. Sie beherrschen die politischen Schaltstellen in den revolutionären Gremien und scheinen mit ihrem Handeln den gegenwärtigen Verlauf der Revolution zu bestimmen.

    Ohne Zweifel leisten sie den wichtigsten Beitrag zum politischen Diskurs in Dantons Tod. Robespierres erster Auftritt (11 f.) demonstriert den Versuch der Revolutionsregierung, die spontan entwickelte revolutionäre Gewalt des Volkes in staatlichlegalistische Bahnen zu lenken. Bezeichnenderweise erscheint der "Unbestechliche" erst in dem Augenblick, als die spontane Gewaltaktion auf der Handlungsebene bereits ihre Auflösung erfahren hat. Robespierres praktischer Eingriff ist so vorwiegend rhetorischer Natur. Er interpretiert das konkrete Geschehen und die Forderung des Volkes nach einer Verstärkung der Terreur auf der allgemeinen Ebene einer Theorie der legalen Ableitung revolutionärer Herrschaft. Das Handlungsziel des Volkes, die Beseitigung des materiellen Elends, verliert auf diese Weise an Bedeutung zugunsten einer abstrakten Deduktion des Gesetzes aus dem Willen des Volkes. Mit keinem Wort geht Robespierre auf den in dieser Szene sorgfältig exponierten Widerspruch zwischen Arm und Reich ein, der die spontane Gewalt ausgelöst hat. Der penetrante Volkskult (12), dessen ideologische Dimension die Simon-Handlung klar zum Ausdruck bringt, steht überdies in deutlichem Gegensatz zu dem arbeitsteiligen Herrschaftsmodell der bürgerlichen Revolution, das Robespierre gleich anschließend entwickelt. Der politische Führungsanspruch der Jakobiner impliziert von vornherein die Unmündigkeit des Volkes, das als unfähig angesehen wird, die eigenen politischen und sozialen Interessen in die Tat umzusetzen.

    Ähnlich wie Danton begreift Robespierre das Volk als ein Kind, das vor sich selbst geschützt werden muss. "Du kannst nur durch deine eigene Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen; ihre Augen sind untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar" (12). Am historischen Modell der bürgerlichen Revolution in Frankreich untersucht Büchner die prinzipielle Frage nach der Legitimität revolutionärer Gewalt.

    Der politische Diskurs des Dramas bezieht sich auf den 1793/94 ausgetragenen Konflikt zwischen der spontanen Volksgewalt und der legalisierten Gewalt der Revolutionsregierung. Historisch gesehen war die Bildung des Revolutionstribunals sowie die Schaffung von Revolutionsausschüssen und Sondergerichten der Versuch einer staatlichen Aufhebung spontaner Gewalt, einer zunehmend präventiv gerichteten legalen Organisation des Schreckens. Diese Institutionalisierung der revolutionären Gewalt zeigte sich borniert gegenüber der sozialen und ökonomischen Fundierung der Terreur. Gerade die legalistische Abstraktion vom gesellschaftlichen Charakter der Gewalt beförderte die menschenverachtende Praxis des sich selbst unablässig fortzeugenden staatlichen Blutrausches der jakobinischen Schreckenszeit. Im Drama wird sichtbar, wie das Volk sein spontanes Verhältnis zur Gewalt, das noch den Fall des jungen Aristokraten (11) bestimmt, allmählich verliert.

    Die Verstaatlichung der Terreur macht das Volk zu einem bloßen Zuschauer der Revolution. Die Massenspektakel der öffentlichen Hinrichtungen vermögen freilich nur für kurze Zeit den Hunger zu verdrängen (74). Der von Robespierre messianischmissionarisch zelebrierte Volks und Tugendkult erscheint vor diesem Hintergrund als eine ideologische Transformation des unaufgelösten Widerspruchs der bürgerlichen Revolution. Diese braucht den Kult, um die auseinander driftenden Positionen ihrer gesellschaftlichen Basis zu verbergen. Der Tugendkult zielt auf eine moralische Neutralisierung der Revolution. Die Tugend orientiert sich an der Instanz eines abstrakten Gemeinwohls, das den konfligierenden Interessen von Bürgertum und Volk scheinbar übergeordnet ist. In Wirklichkeit verdeckt der Spiritualismus der jakobinischen Führung den objektiven Widerspruch ihres gesellschaftlichen Auftrags und die daraus resultierende Unfähigkeit, die Revolution als soziale zu begreifen oder gar fortzuführen. Mit den Mitteln der politischen Rhetorik und der staatlichen Terreur sorgen die Robespierristen eher für eine Stabilisierung des Status quo der in ihrem Klasseninhalt unbegriffenen Revolution, als dass sie praktisch und bestimmend auf ihren Verlauf Einfluss nehmen. Andererseits führt der aus der Führungsrolle erwachsende Zwang zum politischen Handeln dazu, dass die jakobinische Position stärker auf die gegenwärtigen Probleme der Revolution bezogen bleibt als die hoffnungslos anachronistische Position der Gemäßigten um Danton. Das zeigt sich besonders in den beiden großen politischen Szenen des Dramas im Jakobinerklub (I,3) und im Konvent (II,7). Auf die Forderung nach einer Verschärfung der Gewaltherrschaft, die mit dem Hinweis auf Ronsin zugleich eine versteckte Kritik an der Ausschaltung der Hébertisten enthält, und auf Legendres dubioses Doppelspiel mit den Märtyrern der Revolution reagiert Robespierre mit einer zweifachen Abgrenzung der jakobinischen Position der Mitte: Die Revolution sucht ihre Feinde nicht mehr nur außerhalb ihrer eigenen Reihen; sie findet sie in ihren extremen Flügeln, die eben den sozialen Gegensatz formieren, den die jakobinische Diktatur gewaltsam zu liquidieren versucht. Robespierre stützt seine Vorwürfe gegen die Hébertisten nicht nur auf deren Kampf gegen die "Gottheit" (14). Büchner bezieht hier – die historische Quelle überschreitend – ausdrücklich den Kampf Héberts gegen das Eigentum ein. Die Eigentumsfrage trennte die bürgerlichen Revolutionäre von ihrer Massenbasis im Volk.

    Die Sansculotten waren keineswegs wie die kapitalistische Bourgeoisie an einer totalen Befreiung des Eigentums interessiert. Sie zeigten sich eher einer vorkapitalistischen Wirtschaftsethik verpflichtet, die auf einer Begrenzung und sozialen Einbindung des Eigentums beharrte. Für kurze Zeit also bekennt der "Unbestechliche" mit seinem indirekten Plädoyer für das Eigentum Farbe als Wortführer einer bürgerlichen Fraktion. Der weitaus größte Teil der Kritik an den Hébertisten und an den Gemäßigten um Danton bemüht je doch aufs neue die bekannten Grundsätze der Moral und der politischen Ordnung. Robespierre agiert in der Rolle eines Schiedsrichters der Revolution. Für seinen Angriff auf die dantonistische Fraktion greift er auf das bewährte und noch immer wirksame Feindbild des Aristokratismus zurück, wobei er immerhin die moralische Perspektive in Gestalt der Lasterkritik auf einen materiellen Bereich überträgt. Seine Kritik am aufwendigen Lebensstil der bürgerlichen Revolutionsgewinnler erfasst präzise die latent parasitären Elemente im epikuräischen Programm der Dantonisten und bezichtigt diese offen einer "Ausplünderung des Volkes" (16). Der Ruf der Gemäßigten nach einer Beendigung des Blutvergießens wird von Robespierre als Position der Schwäche gegeißelt, die die Sache der Revolution akut gefährdet. Umrisshaft zeichnet sich hier das Konzept einer demokratisch legitimierten Diktatur ab. "Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei" (15). Erst die in der Revolutionsregierung verkörperte Symbiose von Tugend und Schrecken, die sich abstrakt auf das Gesetz, den allgemeinen Willen des Volkes, berufen kann, sichert in Robespierres Augen die Errungenschaften der Revolution und schafft die Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Beendigung. Die Begrenztheit der robespierristischen Position zeigt sich dennoch klar in der spiritualistischen Überformung sozialer Widersprüche und in der mangelnden Fähigkeit, gesellschaftliche Beziehungen in sozialen Kategorien zu erfassen und nach Maßgabe eines politischsozialen Programms aktiv zu gestalten. Die zeitlich begrenzte Koalition mit der Volksbewegung gewinnt dadurch einen vorwiegend taktischen Charakter. Die "soziale Revolution" (24) erscheint im Kontext des Dramas als bloßes Lippenbekenntnis. Sie wird durch die Beseitigung der Hébertisten in Frage gestellt und scheitert am Problem des Eigentums.

    So zeitgemäß die jakobinische Theorie einer Revolutionsregierung und die demokratisch legitimierte Institutionalisierung der Gewalt auch anmutet – im Hinblick auf die Erfordernisse einer sozialen Revolution des Volkes erscheint Robespierres Tugendreligion als ideologisch motivierte Anmaßung, die staatliche Gewaltherrschaft aber als ein kaltblütig inszeniertes Massenopfer, das – weit entfernt von den gesellschaftlichen Ursachen revolutionärer Gewalt nur mehr auf deren vordergründige Wirkung setzend – am Ende allein dem Machterhalt der jakobinischen Führungsclique dienlich ist. Wie groß der ideologische Bedarf der jakobinischen Revolutionsregierung ist, verdeutlicht die Rede St. Justs vor dem Konvent (43 ff.). In "allgemeinen Betrachtungen" bezieht er hier das Gewaltproblem der Revolution auf die "Gesetze" von Natur und Geschichte. Das Allgemeine erweist sich jedoch als ein idealistisches Konstrukt, das der Natur einen Zweck und der Geschichte einen Sinn unterstellt und so die gewaltsame Vernichtung der individuellen Existenz legitimiert. Kein Geringerer als der "Weltgeist" selbst führt die Arme des Henkers bei seinem blutigen Geschäft. Der massenhafte Tod der vielen einzelnen erscheint als politische Krankheit, die Revolution als Seuche, die den Fortschritt der Menschheit befördert. Die mörderischen Analogien St. Justs gründen die revolutionäre Anwendung von Gewalt nicht auf den politischsozialen Prozess der Umwälzung selbst, sondern ausdrücklich auf die "Idee" als Vermittlungsform eines abstrakten Allgemeinen, das die Vernichtung des Besonderen bewusst in Kauf nimmt. Die theoretisch abgeleiteten Schlüsse des Chefideologen der jakobinischen Revolutionsregierung stehen in scharfem Kontrast zu der spontanen Logik revolutionärer Gewalt, wie sie zu Beginn des Dramas demonstriert wird (10; 12). Hier wird der Einsatz der Gewalt ursächlich mit dem materiellen Elend des Volkes in Verbindung gebracht. Das Erfahrungswissen des Volkes entbindet eine soziale Kausalität, deren praktische Schlüsse auf eine konkrete Abhilfe, auf die Lösung des sozialen Problems gerichtet sind. St. Just dagegen legitimiert die Gewalt mit Hilfe einer logischen Entfaltung der Implikationen eines politischmoralischen Grundrechts der Revolution: "Da alle unter gleichen Verhältnissen geschaffen werden, so sind alle gleich, die Unterschiede abgerechnet, welche die Natur selbst gemacht hat; es darf daher jeder Vorzüge und darf daher keiner Vorrechte haben, weder ein einzelner noch eine geringere oder größere Klasse von Individuen. – Jedes Glied dieses in der Wirklichkeit angewandten Satzes hat seine Menschen getötet. Der 14. Juli, der 10. August, der 31. Mai sind seine Interpunktionszeichen." (44.) Das Bild einer "Grammatik der Revolution" verdeutlicht den wirklichkeitsfernen Schematismus, der einer politischen Applikation des theoretisch eingeführten Gleichheitsprinzips anhaftet. Beinahe unmerklich wechselt das logische Verfahren sein Bezugsfeld und wird in den Bereich eines wirklichkeitsindifferenten formalen Regelsystems überführt. Hier wird ein sozial abstraktes, formalistisches politisches Ordnungsdenken sichtbar, das die Legitimationsproblematik revolutionärer Gewalt geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht die Legitimation von Gewalt, sondern die Legitimation durch Gewalt wird zum Hauptgeschäft der bürgerlichen Revolutionäre. Die Revolution erstarrt zu einem politischmoralischen Ordnungsmodell, das die Gewalt braucht, um sich rechtfertigen zu können.

    Das abstrakte und tendenziell idealistisch begründete Gesetz der Vernichtung nobilitiert seinen Erfinder, den Ideologen der bürgerlichen Revolution, als quasi natürlichen Vollstrecker des historischen Fortschritts.

    St. Justs rhetorisch zelebrierte Orgie der Vernichtung bringt wider Willen den blutigen Kreislauf der bürgerlichen Revolution an den Tag: die Revolution muss unter moralischen Vorzeichen gewaltsam verlängert werden, weil sie als soziale Revolution nicht vollendet werden kann. Während St. Just die Identifikation mit der Rolle des Vollstreckers gelingt, machen sich bei Robespierre bereits erhebliche Zweifel am Sinn und an der Notwendigkeit des revolutionären Blutgerichts bemerkbar. In den beiden Monologen, die auf die Gespräche mit Danton und St. Just folgen (25 f.; 28), hat der Revolutionsführer Mühe, dem selbst auferlegten Rechtfertigungszwang gerecht zu werden. Programmatische Phrasen, die nur zu deutlich der eigenen Beruhigung dienen, stehen im Wechsel mit bohrenden Selbstzweifeln eines aufgeschreckten Gewissens, das das eigene Handeln nicht mehr als verlängerten Arm des Weltgeistes zu deuten vermag. Als persönlich zu verantwortendes Tun wird es zunehmend von der Kategorie der Schuld erfasst. Zumindest im Ansatz sind somit die Aporien politischen Handelns in der bürgerlichen Revolution, die besonders Danton thematisiert und reflektiert, auch bei Robespierre erkennbar. Die Vermittlung subjektiven Handelns mit dem vermeintlich objektiven Sinn des revolutionären Geschehens – sie vermag selbst dem "Blutmessias", Opferer und Opfer zugleich, nicht zu gelingen.

    Der politische Diskurs in Dantons Tod begnügt sich nicht mit der verschärfenden Rekonstruktion der immanenten Widersprüche der robespierristischen Position. Ihre offensichtlichste Desavouierung erfährt die jakobinische Politik auf der Handlungsebene des Stücks. Von St. Just als historische Notwendigkeit gepriesen, realisiert sich die Liquidierung der dantonistischen Fraktion weit eher als politisches Verbrechen. Die "List der revolutionären Vernunft" bedient sich skrupellos krimineller Manipulation und der Intrige.

    In St. Just findet der "Despotismus der Freiheit" seinen politischen Demagogen und einen Intriganten, der den Vergleich mit den Schergen absolutistischer Willkür nicht zu scheuen braucht. Von Anfang an sinnt er darauf, die Ausschaltung des populären Gegners im rechten Licht erscheinen zu lassen: "Wir müssen die große Leiche mit Anstand begraben, wie Priester, nicht wie Mörder; wir dürfen sie nicht verstümmeln, alle ihre Glieder müssen mit hinunter" (27). Der Ankläger und der Präsident des Revolutionstribunals – vermeintlich die Speerspitze der bewaffneten Tugend – bereiten die Untersuchung gegen die Dantonisten als eine Art Schauprozess vor. Die betrügerische Auswahl der Geschworenen und die gleichzeitige Verhandlung gegen die "Fälscher" und die "Fremden" dienen der gezielten Denunziation der politischen Gefangenen, deren Beseitigung vor dem Volk gerechtfertigt werden muss. Die Kolportierung eines offensichtlich fingierten Fluchtkomplotts der Dantonisten dient der massiven Beeinflussung der Geschworenen und sorgt mit dem Ausschluss der Angeklagten von der Verhandlung für deren sichere Verurteilung zum Tod. Die Liquidierung der Dantonisten entlarvt die erbärmliche Praxis der jakobinischen Tugenddiktatur.

    Eine wirksame Diskreditierung erfährt die robespierristische Position schließlich durch das Verhalten derer, die sie vertreten. Der von Robespierre beanspruchte Standort über den gesellschaftlichen Parteien, die angebliche soziale Neutralität der Revolution liefert diese der zynischen Willkür einer kleinen Clique aus, die die politischen Schaltstellen nach Maßgabe privater, egoistischer Motive in Anspruch nehmen. Die private Aneignung der revolutionären Terreur wird zugespitzt erkennbar in der Absicht Dumas', eines der Präsidenten des Revolutionstribunals, seine Ehescheidung mit Hilfe der Guillotine zu vollziehen (65). Die Szene im Wohlfahrtsausschuss (III,6) demonstriert die willkürliche und menschenverachtende Handhabung der öffentlichen Gewalt im jakobinischen Lager. Zynische Verachtung trifft die kranken oder dem Tod geweihten Gefangenen sowie die Schwangeren, deren Hinrichtung der Revolution Kindersärge erspare. Die despotische Willkür des Bürgers bei der Beantwortung von Bittgesuchen steht der Tyrannei des fürstlichen Absolutismus in nichts nach. Die Anspielung auf Lessings Emilia Galotti spielt bewusst die bürgerliche Ideologie gegen deren inhumane Praxis aus. Robespierres Tugendmodell der Revolution verfällt einhellig dem Spott seiner Anhänger.

    Wie Danton die Tugendhaftigkeit des Volkes auf die Deformation seiner Genussorgane zurückführt, so deuten die Robespierristen das Keuschheitsgebot ihres Anführers als Ausdruck sexueller Impotenz. Der obszöne Diskurs und die im Wohlfahrtsausschuss verabredete Lustreise nach Clichy stiften über die politischen Grenzen hinweg Gemeinsamkeiten in der Lebenspraxis der bürgerlichen Revolutionsgewinnler. Die unerwartete Nähe von Robespierristen und Dantonisten verleiht Dantons Diktum "Es gibt nur Epikureer" (25) einen präzisen sozialen Sinn. Der öffentliche Handlungsraum der bürgerlichen Revolution wird im politischen Diskurs des Dramas als ein ideologischer ausgewiesen. Am Ende sind sowohl Robespierres als auch Dantons Partei gründlich diskreditiert: Nicht nur bleiben die bürgerlichen Revolutionäre und ihre Handhabung der Gewalt ohne hinreichende Legitimation, auch ein positiver Ansatzpunkt politischen Handelns ist nicht zu erkennen. Der vergleichsweise vordergründige Konflikt zwischen Tugend und Genussmodell der Revolution bleibt ohne Folgen für die notwendige soziale Revolution: er kaschiert den Prozess der Stabilisierung der bürgerlichen Herrschaft und die mit ihm verbundene Entmachtung des Volkes, das der bürgerlichen Revolution erst zum Sieg verholfen hat.
    Das Volk

    Das Volk verbleibt als die einzige gesellschaftliche Gruppierung im Drama, die von ihrer Interessenlage her die Notwendigkeit einer sozialen Revolution begreifen und diese in die Tat umsetzen könnte. Das Volk ist das präsumtive Subjekt einer Revolution, die das Postulat der Gleichheit in seinem umfassenden Sinn als praktische Aufhebung materieller und geistiger Benachteiligung in die Wirklichkeit überführt.

    Mit der Darstellung des Volkes versucht Büchner im Rahmen der von der Gattung gesetzten Grenzen, die empirischen Bedingungen zu ermitteln, die das Volk hindern, seine Rolle als kollektives Subjekt einer sozialen Revolution wahrzunehmen. Die Darstellung des Volkes verfährt daher keineswegs idealisierend, sondern zeigt schonungslos die verheerenden Folgen materieller Verelendung und geistiger Unterdrückung. Der Hunger treibt das Volk zu spontanem politischen Handeln (11 f.); er motiviert die mitleidlose materielle Ausbeutung des organisierten Schreckens (eindringlich gestaltet in den Fuhrleuten des Todes, 69) und bestimmt schließlich die Haltung des Volkes als Publikum vor dem Blutgerüst der Revolution. (74 f.) Die Prostitution ist die beherrschende soziale Beziehungsform des Volkes zu den bürgerlichen Revolutionären. Von der Tochter des Souffleurs Simon über die Grisetten im Palais royal und in Clichy bis hin zu den Weibern auf dem Platz vor der Conciergerie, die auf die dantonistischen Gefangenen wie auf "alte Kunden" warten (69): Die Prostitution lässt die gesellschaftliche Beziehung des Bürgertums zum Volk sinnfällig werden. Der parasitäre Charakter der bürgerlichen Revolution tritt deutlich hervor, wenn die Revolutionsgewinnler sich am Volk, dem Motor der Revolution, als an ihrem künftigen Opfer schadlos halten. Erzwungen wird freilich nicht allein der Verkauf des Körpers; Ausbeutung und Korruption erfassen ebenso die Sphäre des Bewusstseins und damit die politische Willensbildung im Volk. Ein schlagendes Beispiel für die ideologische Abrichtung des Volkes, die mit der Manipulation von Sprechen und Denken entschieden dessen Realitätswahrnehmung tangiert, ist der Souffleur Simon (9 ff.). Literarische Zitate, Römerposen und leere heroische Gesten verhindern bei Simon eine realistische Einsicht in die eigene Misere. Die Identifikation mit den tragischen Heldenrollen in Literatur und Geschichte, die der Souffleur auf die aktuelle Folie des robespierristischen Tugendkultes bezieht, führt zu einer Verdrängung der sozialen Realität bzw. zu deren Neuinterpretation im Kontext eines moralischen Heroismus. Aber selbst dort, wo eine realistische Haltung im Volk vorherrscht, bleibt die von den bürgerlichen Revolutionären betriebene ideologische Transformation sozialer Widersprüche nicht ohne Wirkung. In seiner Frau und in den drei Bürgern findet Simon zunächst ein kritisches Korrektiv. Diese sehen in der Prostitution kein Sittlichkeitsdelikt, sondern die unvermeidliche Folge einer vom Elend erzwungenen Arbeit "mit allen Gliedern" (10). Der erste Bürger stellt Simons moralische Argumentation vom Kopf auf die Füße.

    Der revolutionäre Zorn des Volkes richtet sich nicht gegen die Hure, sondern gegen den, der sie zur Hure macht.

    Weh über die, so mit den Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und sie haben Magendrücken; ihr habt Löcher in den Jacken, und sie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Samthände. Ergo, ihr arbeitet, und sie tun nichts; ergo, ihr habt's erworben, und sie haben's gestohlen; ergo, wenn ihr von eurem gestohlnen Eigentum ein paar Heller wiederhaben wollt, müsst ihr huren und betteln; ergo, sie sind Spitzbuben, und man muss sie totschlagen! (10.) In diesem primitiven dichotomischen Modell gesellschaftlicher Beziehungen findet mit dem Gegensatz von Arbeit und Genuss der Klassenwiderspruch eine erste Formulierung. Das Volk als arbeitendes Kollektiv beginnt sich als eigenständige Gruppe nach außen abzugrenzen: gegen Reichtum und Genuss, gegen die Emigranten, aber auch schon gegenüber den Gebildeten (11). Die Frontlinie der sozialen Revolution verläuft quer zu der der bürgerlichen. Die Geschichte der Revolution – der Kampf gegen die Aristokraten, gegen das Veto des Königs und gegen die Gironde (ebd.) – bezeugt, dass das Volk bislang nicht zu ihren Nutznießern gehört hat: Der Hunger besteht fort. Die soziale Erkenntnis des Volkes ist von einer unmittelbar praktischen Qualität und nicht etwa einer Theorie gesellschaftlicher Widersprüche geschuldet.

    Sie verdankt sich einem in der Lebenswelt des Volkes ausgebildeten sozialen Instinkt, der sich in vereinzelten spontanen Aktionen gewaltsam entlädt.

    Diese praktische Erkenntnis, die exemplarisch in der abgebrochenen Laternisierung des jungen Aristokraten vorgeführt wird, fällt dem rhetorischen Eingriff Robespierres zum Opfer, der sie ideologisch überformt, und, dem Souffleur Simon nicht unähnlich, auf einen moralischen und politischen Diskurs über die Gewalt und das tugendhafte Volk zurückbezieht.

    Das Volk fällt so am Ende der Szene dem eigenen Kult zum Opfer. Auch die Szene vor dem Justizpalast (III,10) zeigt weniger die Wankelmütigkeit des Volkes, als seine Unfähigkeit, sich der ideologischen Transformierung vorhandener sozialer Widersprüche zu erwehren. Dabei wird zu Beginn der Szene die soziale Funktion der bürgerlichen Terreur prägnant erfaßt: "Ja, das ist wahr, Köpfe statt Brot, Blut statt Wein" (64). Die Argumentation des Zweiten Bürgers knüpft geschickt an den sozialen Instinkt des Volkes an. Die materielle Auswertung der Anklage gegen Danton muss das Volk zur Parteinahme gegen ihn führen.

    Die Verurteilung Dantons geht jedoch – unnötigerweise – mit einer Parteinahme für dessen bürgerlichen Gegner Robespierre einher.

    Es zeigt sich, dass das Volk dort an seine Grenze stößt, wo es auf die eigenständige politische Formulierung seiner sozialen Interessen ankommt. Unkritisch überträgt es seine Sympathien von Danton auf Robespierre: es sitzt damit dem ideologisch motivierten bürgerlichen Schaukampf auf, der wirkliche Opfer fordert und unnötig gesellschaftliche Energien verzehrt, obwohl er nichts zur Lösung der drängenden sozialen Probleme beiträgt.

    Das Volk in Dantons Tod formiert sich spontan, situationsbezogen und damit jeweils nur für kurze Zeit als Klasse im politischen Sinn. Konkrete Ansätze zu einer dauerhaften Organisation der sozialen Interessen im Volk sind im Drama – im Gegensatz zur historischen Realität der Französischen Revolution – nicht auszumachen. Büchner hat die Volksbewegung der Sansculotten kaum berücksichtigt; auch die Hébertisten als Vertreter eines volksnahen sozialradikalen Flügels der Revolution spielen nur eine untergeordnete Rolle für den politischen Diskurs in Dantons Tod. Damit erscheint der Abstand zwischen dem Volk und der rein bürgerlichen Führung der Revolution noch größer. Die mangelnde Fähigkeit des Volkes zu einer wirksamen politischen Wahrnehmung seiner Interessen wird auf diese Weise sichtbar gemacht – nicht weniger freilich die Gefahr, die dem Volk aus der bürgerlichen Organisation der Revolution erwächst. Den aktuellen politischen Erfahrungsgehalt dieser Erkenntnis hat Büchner bereits in einem Brief vom 9. November 1833 formuliert: "Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen." Die Darstellung des Volkes hebt die Negativität des politischen Diskurses in Dantons Tod nicht auf. Allenfalls implizit, das heißt im Modus der Kritik, sind Ansätze zu einer politischen Strategie zu erkennen, die geeignet wäre, die soziale Revolution zu befördern. Eine Konkretisierung dieser Strategie hätte nicht nur das historische Modell der Französischen Revolution, sondern auch seine aktuelle Applikation überfordert. Eine politische Strategie der sozialen Revolution muss am revolutionären Gegensatz von Arm und Reich ansetzen. Dieser Klassenwiderspruch, der das Bürgertum eindeutig als politischen Gegner ausweist, ist der Ausgangspunkt für eine revolutionäre Umwälzung, die die soziale Emanzipation des Volkes anstrebt. Die Revolution ist daher eine Sache des Volkes; die sozialen Interessen entstehen in seiner Lebenswelt und dürfen nicht mit Hilfe von "Ideen", durch abstrakte Konzepte aus Moral, Philosophie oder Politik, ideologisch transformiert werden. Die "Bildung eines neuen geistigen Lebens" muss, so Büchner noch 1836 in einem Brief an Gutzkow, "im Volk" selbst gesucht werden. Büchner bricht radikal mit der politischen Kultur des Bürgertums.

    Die "abgelebte moderne Gesellschaft" und die ihr zugehörigen ideologischen Vermittlungsformen haben in seinen Augen ausgespielt. Die politische Organisation einer künftigen Revolution muss an den spontanen revolutionären Aktionen des Volkes selbst ansetzen. Robespierres bevormundende Feststellung, dass das Volk "nur durch [.. .] eigne Kraft" fallen kann (12), bedarf der revolutionären Umkehrung: Das Volk kann seine Befreiung nur durch eigene Kraft ins Werk setzen. Der politische Diskurs des Dramas lässt jedoch keine Zweifel zu: Das Volk als handlungsfähiges Subjekt, die Bedingung der Möglichkeit einer sozialen Revolution, ist nicht auszumachen. Der dramatische Perspektivismus wird in Dantons Tod konsequent durchgehalten. Keine der sozialen und politischen Gruppierungen erfährt eine Bevorzugung; keiner Position kommt – etwa durch eine stärkere Identifikation des Autors – ein größeres Maß an Verbindlichkeit zu. Dieser radikale Perspektivismus hat bei der Rezeption des Dramas auf dem Theater und in der Büchner-Forschung bis in die jüngste Zeit hinein irritierend gewirkt. Als politisches Drama praktiziert Dantons Tod Ideologiekritik. Der politische Diskurs ist von einem skeptischen Realismus getragen. Obwohl das Drama keinerlei konkrete Perspektive auf der Ebene des politischen Handelns erkennen lässt, hält es den Anspruch auf eine soziale Revolution im Sinne des Volkes unbeirrt aufrecht. Als dramatisches Denkspiel überführt Dantons Tod den politischen Diskurs in einen historischen, der die Bedingungen und Möglichkeiten politischen Handelns im geschichtlichen Raum auslotet.
    Realistische Kunst und das Theater der Wirklichkeit

    Geschichte, Religion und Literatur stellen den Protagonisten des Revolutionsdramas ein Repertoire von Rollen und Verhaltensmustern zur Verfügung, die eine stilisierende Vermittlung des eigenen und eine Deutung fremden politischen Handelns erlauben. Den größten Anteil an den auffällig zahlreichen literarischen und historischen Anspielungen und Zitaten hat die Welt der Antike. Das gilt für das griechische Kostüm der Dantonisten nicht weniger als für die römische Toga ihrer Gegner im jakobinischen Lager. Die antiken Zitate verdichten sich tendenziell zu einem eigenständigen Code der politischen Kommunikation. Die Selbst und Fremdwahrnehmung der politischen Akteure im Drama greift konsequent auf die normativ hochbesetzten heroischen Deutungs- und Legitimationsmuster der Antike zurück. Gegen die auf ihn gemünzte taciteische Tyrannenschelte setzt Robespierre Sallusts Verschwörung des Catilina (16), die in der Tat das Legitimationsmodell für die Liquidierung der dantonistischen "Konspiration" abgeben wird. Der Dolch des Brutus wechselt gar die Seiten: Dantons Kampf gegen die jakobinische Diktatur soll er zur Hand gehen (29), aber auch St. Just reklamiert ihn für den Kampf der "Feinde der Tyrannei [.. .] in Europa und auf dem ganzen Erdkreise" (45). Das Volk erscheint im mythischen Denken der bürgerlichen Revolutionäre als "Minotaurus" (18), die Revolution dagegen "wie Saturn, sie frisst ihre eignen Kinder" (22). Das integrative Bezugsmodell für die im Zitat angeeigneten Rollen und Verhaltensmuster ist die Theatermetapher, die das Handeln, besonders das Handeln im öffentlichen Raum, als Rollenhandeln ausweist. Die Revolution selbst erscheint im Horizont der Theatermetaphorik als politische Inszenierung, als die kollektive Aufführung eines vorbestimmten dramatischen Texts. Robespierre beschwört in seiner Anklage gegen die Hébertisten "das erhabne Drama der Revolution" (14 f.), und besonders Danton begreift und reflektiert den politischen Handlungsraum der Revolution im Bild des Welttheaters. Die Welt als Theater, der Mensch als Rollenträger, sein Handeln als fremdbestimmtes Spiel: der Topos des Welttheaters ist "immer schon als Aussage darüber zu lesen, was Wirklichkeit ist." Büchner fand die Theatermetaphorik in den Quellen zur Geschichte der Französischen Revolution vor. Ihr Einsatz im Drama legt gezielt den ideologischen Gehalt tradierter literarischer und historischer Muster frei, wobei die Kritik primär die gesellschaftliche Wirksamkeit der erborgten Rollen und Handlungskonzepte erfasst. Aus dem anachronistischen Repertoire der klassischen Muster speist sich die historisch unangemessene politische Stilisierung der revolutionären Führer, und noch die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Bewusstsein der "kleinen Leute" ist durch eine Theatralisierung der Politik bestimmt. Karl Marx hat in seiner Analyse des 18. Brumaire die ideologische Funktion dieser heroischen Kostümierung nachgewiesen und den Totendienst der bürgerlichen Revolutionshelden scharf kritisiert.

    "Die soziale Revolution des neunzehnten Jahrhunderts kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft." Die Theatermetaphorik in Dantons Tod erfüllt eine doppelte Aufgabe: sie demonstriert die ideologische Verblendung der politischen Akteure, kritisiert aber mit der Theatralisierung der Politik zugleich eine ästhetisierende Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Im Drama erscheint die Theatermetapher als potenziertes Zitat: zitiert wird das historisch verbürgte Zitat, wobei der Akzent weniger auf dem Zitierten als auf dem Gestus des Zitierens liegt. Als Geschichtszitat problematisiert die Theatermetaphorik in Dantons Tod historisch dominante Formen der Wirklichkeitsaneignung; dabei erscheint das Theater nicht so sehr als Kunst, sondern als eine Vermittlungsform gesellschaftlicher Realität. Als Metapher für die Produktion und Rezeption von Wirklichkeitsbildern steht das Theater für einen spezifisch defizitären Zugang zur gesellschaftlichen Realität.

    Mit dem potenzierten Einsatz der Theatermetaphorik verschärft Büchner die Ideologiekritik des politischen Diskurses und überführt diese zugleich in eine fundamentale Kritik der gesellschaftlichen Produktion von Wirklichkeit. Die Aporien des politischen Handelns werden über ihre ideologische Begründung hinaus auf elementare Formen der Aneignung von Realität zurückgeführt. Die Kunstfigur Simon, mit der Büchner die Grenzen eines realistischen Figurenkonzepts bewusst überschreitet, demonstriert die fatalen Folgen einer universalen Theatralisierung der Wirklichkeit. Die komische Diskrepanz resultiert nicht allein aus der unfreiwilligen Verwechslung der zitierten Rollen, sie ergibt sich ebenso aus dem lächerlichen Verfehlen der lebensweltlichen Realität.

    Der betrunkene Souffleur, der die der Not geschuldete Prostitution seiner Tochter auf der Folie antiker und bürgerlicher heroischer Muster stilisiert (Kabale und Liebe, Virginia-Motiv, Emilia Galotti, Lukretia, Philemon und Baucis, Porcia, Hamlet), setzt einen bezeichnenden Rahmen für den anschließenden "Auftritt" Robespierres. Die pathetische Gebärde, die der Politiker Robespierre dem "erhabnen Drama der Revolution" schuldig zu sein glaubt, erscheint vor diesem Hintergrund erborgt, hohl und unzeitgemäß. Die überraschende Nähe zwischen dem berufsmäßigen Ein und Vorsager und dem jakobinischen Revolutionsführer wird an anderer Stelle bestätigt: Bei der Verhaftung Dantons (40), die Simon mit Shakespeare-Reminiszenzen und geflügelten Worten aus den Befreiungskriegen aufpoliert, bedient sich der Souffleur der gleichen vaterländischen Rhetorik, die Robespierre in der folgenden Szene wirkungsvoll an das Ende seiner Rede vor dem Konvent setzt (43). Die Simon-Figur zeigt in komischer Übertreibung einen theatralisch bedingten Wirklichkeitsverlust, der tendenziell alle politischen Akteure der bürgerlichen Revolution bedroht. Erscheint die Theatermetaphorik bei Simon, und in gewisser Hinsicht auch bei Robespierre, in reflexionsloser Gestalt, so erfährt sie bei Danton eine reflexive und kritische Wendung. Im Bild des Welttheaters thematisiert Danton die individuell erfahrene Entfremdung vom historischen Prozess der Revolution. Zugleich aber wird ihm die Theatermetapher zu einer avancierten Chiffre für die Wahrnehmung des eigenen Verlusts von Wirklichkeit: "wir stehen immer auf dem Theater, wenn wir auch zuletzt im Ernst erstochen werden" (31). Keineswegs zufällig findet das Bild vorn Revolutionstheater zuerst im Zusammenhang der öffentlichen Spektakel des Todes Verwendung. Der Tod als äußerste menschliche Grenzerfahrung verstärkt den Bedarf an Sinn für die Lebensgeschichte der individuellen Existenz. Danton radikalisiert die Legitimationsproblematik gesellschaftlicher Sinnwelten, indem er, restlos desillusioniert, nach der Wirklichkeit der Wirklichkeit fragt. Im Bild des Welttheaters formuliert er die an sich selbst erfahrene Ohnmacht des Subjekts und die Fremdbestimmtheit des menschlichen Eingriffs in den historischen Prozess der Revolution: "Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!" (40. ) In der Todeszelle schließlich büßen die öffentlichen Rollen ihre letzte Legitimation ein. Hier ist es Camille, der die Maskenhaftigkeit der in der Phrase überlebenden politischen Existenz seiner Freunde entlarvt: "wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen uralten, zahllosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts weniger" (72). Die forcierte Verwendung der Bühnen und Rollenmetapher signalisiert die Entfernung der Revolutionäre von der Revolution. In der Theatermetapher wird die Divergenz von geschichtlichem Prozess und individuellem Handeln festgehalten, aber nicht auf den Begriff gebracht. Ihre Verwendung indiziert also nicht nur hellsichtig das Fehlen historisch angemessener Formen politischen Handelns; sie zeugt zugleich vom Unvermögen, diesen Mangel als politischen zu begreifen.

    Noch die kritische Wendung, die die Theatermetaphorik bei Danton erfährt, bezeichnet einen eingeschränkten Bewusstseinsstand, der auf der Figuren und Handlungsebene des Dramas nirgends überschritten wird.

    Ihr Erkenntniswert bleibt begrenzt. Zwar erlaubt sie Danton zeitweise die Identifikation mit einer Zuschauerrolle im historischen Prozess, einer Rolle, die den aufgezwungenen Handlungsverzicht reflexiv zu bewältigen versucht, doch fehlt Dantons Welttheater im Vergleich zu seinem barocken Vorgänger jede verbindliche Verankerung in einem transzendenten Sinnsystem.

    Erweitert zum "Spiel", bewirkt die Theatermetapher eine erneute, wenn auch reflektierte Ästhetisierung der sozialen und politischen Wirklichkeit und verstellt letztlich den Weg von der Reflexion zur geschichtlich verantwortlichen Tat. Sie wirkt im Grunde als ein zusätzliches "Quietiv".

    Im Kostüm des Zuschauers bleibt Danton in den engen Grenzen des Bildes vom Revolutionstheater befangen. Erst im Horizont des eigenen Todes wird das Theater als metaphorisches Vehikel der Konstitution gesellschaftlicher Wirklichkeit ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Die Kritik einer universalen Theatralisierung der Alltagswelt ist in einem neuen Wirklichkeitsbegriff fundiert, der im ästhetischen Diskurs von Dantons Tod selbst entfaltet wird. Die Straßenszene ("Eine Promenade", II,2) verknüpft auf subtile Weise den politischen und den ästhetischen Diskurs des Stücks. Durch die Erweiterung der Theatermetaphorik zum Organ der Wirklichkeitskonstitution gewinnt auch die anschließende kunsttheoretische Reflexion (35 f.) eine außerästhetische Bedeutung. Die Straßenszene führt exemplarisch die lebensweltliche Funktion bürgerlichidealistischer Kunst vor. In der Form eines hart gefügten Simultantheaters verstärkt sich noch die bereits in den alltagsweltlichen Szenen angelegte Theatralik.

    Ein ästhetisierender Zugang beherrscht nicht nur die Überlegungen zur republikanischen Namensgebung, die noch einmal den kultischen Ursprung der klassischen Muster und ihre Nähe zum Personenkult (Robespierre) illustrieren. Auch die stilisierte Abendstimmung und die idealisierende Verklärung der Natur, die sich im Gespräch der bürgerlichen Dreiergruppe bemerkbar macht, greift auf literarische Muster der Wirklichkeitswahrnehmung zurück. Besonders deutlich bezeichnet der Dialog der beiden Herren die lebensweltliche Antithese von Kunst und Wirklichkeit. Das eitle Gerede von technischer Revolution und menschlichem Fortschritt erweist sich im Hinblick auf die Unfähigkeit, eine banale Alltagssituation – die "gefährliche" Pfütze – zu bewältigen, als haltloses Geschwätz. Die angenommenen Phrasen einer modernen Halbbildung können zudem durchaus mit einem pseudowissenschaftlichen Aberglauben – "Ja, die Erde ist eine dünne Kruste, ich meine immer, ich könnte durchfallen, wo so ein Loch ist" (35) – bestehen. Die Lebensfremdheit des falschen Allgemeinen betrifft nicht minder die Kunst. Das Theater definiert sich geradezu über seine Distanz zur Lebenswelt. Die theatralisch angerichtete geistreichkühne Verwirrung, die offenbar auf Unverständnis trifft und Schwindel auslöst, wird zum bestimmenden Merkmal einer Kunst, deren Schöpfung folgerichtig nur einem "bizarren Kopf" gelingen kann. Das bürgerlichidealistische Theater, das hier karikiert wird, verdankt seine Triumphe einer kalkulierten Distanz zum Leben. Die in solcher Kunst vorgefundenen idealisierenden Konstitutionsformen von Wirklichkeit verfehlen zwar auf groteske Weise die Realität, erlangen aber gleichwohl eine reale gesellschaftliche Wirksamkeit. Sie verhindern die Ausbildung eines praxisbezogenen Wirklichkeitssinns und damit jede realistische lebensweltliche Orientierung; sie verstärken im Gegenteil die Lebensuntüchtigkeit eines Publikums, das die Grenzen des Theaters auch im Leben nicht zu überschreiten vermag. Indem die Straßenszene die Entfernung von Kunst und Lebenspraxis vor Augen führt, kritisiert sie nicht allein die tradierte Form des bürgerlichen Theaters, sondern auch dessen prekäre Wirkung. Mit der Kritik der Theatralisierung der Alltagswelt stößt Büchner auf die fundamentale Erkenntnis der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit. Die historisch vorgefundene Theatermetaphorik und die im Zitat überlieferten Lebensformen aus zweiter Hand demonstrieren exemplarisch die prinzipielle Vermitteltheit gesellschaftlicher Realität. Das Bewusstsein erscheint als gesellschaftliches Produkt, ebenso aber die Wirklichkeit, auf die es sich richtet. In Dantons Tod werden dominante Formen der gesellschaftlichen Konstitution von Wirklichkeit kritisch überprüft. Büchner setzt dabei bewusst an den tradierten Formen der Selbstdeutung der historischen Subjekte an. Das gilt für die das gesamte dramatische Werk des Autors bestimmende Sprachkritik nicht weniger als für die Theatermetaphorik, der im Revolutionsdrama ein besonderes Gewicht zukommt. Das Theater als Konstitutionsform gesellschaftlicher Wirklichkeit verbindet den politischen und den ästhetischen Diskurs in Dantons Tod. Die Fundamentalkritik gesellschaftlicher Produktion von Wirklichkeit bestimmt daher auch das "Kunstgespräch" (35 f.), das – in der Negation idealistischer Kunst – erste Ansätze einer politischen Ästhetik des Realismus erkennen lässt. Camilles kunsttheoretischer Exkurs thematisiert die zuvor szenisch entfaltete Theatralisierung der Wirklichkeit. Mit der bürgerlichidealistischen Kunst werden die ihr zugehörigen Rezeptionsformen kritisiert. Die vehemente Zurückweisung der herrschenden Kunstformen verweist implizit auf ein neues Konzept des ästhetischen Realismus. "Von der Schöpfung, die glühend, brausend und leuchtend, um und in ihnen, sich jeden Augenblick neu gebiert, hören und sehen sie [die Leute] nichts" (35). Die Aufgabe kommender Kunst wäre die Ausbildung eines neuen Wirklichkeitssinns, der die gesellschaftliche Produktion einer Wirklichkeit befördert, die in Camilles Bild von einem permanenten und allgegenwärtigen Prozess der Schöpfung nur recht vage Umrisse gewinnt. Die neue Kunst betreibt eine gesellschaftliche Schulung der deformierten menschlichen Sinne; sie schult das genuin soziale Vermögen, Wirklichkeit zu konstituieren.

    Freilich kann die emphatische Beschwörung der neuen Wirklichkeit für eine politisch fundierte Strategie des ästhetischen Realismus kaum einstehen. Auch Dantons Kritik an dem sachlichunbeteiligten, emotionslosen politischen Naturalismus des Malers Jacques-Louis David gelangt über eine eher marginale Festlegung der realistischen Manier nicht hinaus. Es hat sich in der Forschung eingebürgert, die kunsttheoretische Reflexion in Dantons Tod um das Kunstgespräch in Büchners Erzählfragment Lenz zu erweitern und beide Textpassagen gemeinsam als das realistische Programm des Autors auszugeben. Selbst dann, wenn die methodische Crux dieses Verfahrens außer Betracht bleibt (die Abstraktion vom ästhetischfiktionalen Kontext, die Aufhebung der streng durchgehaltenen erzählerischen bzw. dramatischen Perspektive), erscheint eine solche Bewertung fragwürdig.
    Lenz' Position wird in der Erzählung ausdrücklich als eine historische eingeführt: "Die idealistische Periode fing damals an." Das Konzept eines prononciert antiidealistischen Realismus ist einem noch unproblematischen, vergleichsweise naiven Wirklichkeitsbegriff verpflichtet.
    Die Nachahmungsvorstellung und der Rekurs auf die Mitleidsästhetik knüpfen durchsichtig an Positionen der Aufklärung an, deren Reflexionsniveau Büchner längst überschritten hat. Die an Beispielen entwickelte Realismuskonzeption unterschätzt nicht nur die Vermitteltheit gesellschaftlicher Realität, sondern auch die Mittelbarkeit der Kunst, den konstruktiven Charakter eines ästhetischen Realismus.

    Ohne Zweifel besaß die in der Lenzfigur gestaltete Ablehnung idealistischer Verklärung und die ungeschminkte, von der Liebe zur Menschheit getragene Darstellung "der Wirklichkeit" als historische Position Büchners Sympathie; nichts berechtigt aber zu der Annahme, hier hätte die politische Ästhetik des Realismus, die Büchner als drängendes Gebot der eigenen Zeit praktisch entwickelt hat, eine programmatische Formulierung gefunden. Büchners Position ist keineswegs mit der von Lenz, Camille oder Danton identisch. Zwar thematisiert Camille in der Kritik der Theatralisierung der Wirklichkeit bereits den Wirklichkeitsbegriff, der dem neuen Realismuskonzept zugrunde liegt, doch findet dieses Konzept im Drama keine explizite programmatische Formulierung: Eingelöst wird es allein auf der Ebene der dramatischen Struktur. Das organisierende Prinzip der ästhetischen Struktur von Dantons Tod ist, wie Albert Meier zu Recht festgestellt hat, die Negation vorgefundener Verzerrungen gesellschaftlicher Wirklichkeit. Das geschichtliche Material, in dem mit den Selbstdeutungen der historischen Protagonisten zugleich herrschende Konstruktionsformen von Wirklichkeit überliefert sind, wird so in den Text eingefügt, dass sich seine immanente Widersprüchlichkeit radikalisiert. Das Drama stellt ein musivisches Gebilde streng perspektivierter disparater Einzelmomente dar, deren widersprüchlicher Zusammenhang sich erst in der eigenen Reflexion auf die Wirklichkeit der Wirklichkeit entdecken lässt. Der in der dramatischen Struktur objektivierte ästhetische Realismus ist politisch fundiert, er ist direkt auf die ideologiekritische Intention und auf die Kritik der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit bezogen. Als Bezugsrahmen der politischästhetischen Strategie des neuen Realismus fungiert eine praxisnah entwickelte Gesellschaftstheorie, die auf eine Beseitigung des Klassengegensatzes von Arm und Reich und auf die Aufhebung gesellschaftlich erzeugter Entfremdung gerichtet ist. Politische Theorie erscheint bei Büchner fast ausschließlich im Modus der Kritik; sie ermöglicht die bestimmte Negation der historisch vorgefundenen politischen und sozialen Ordnung. Büchners Realismus überführt eine strategisch wichtige, aber auf ihr idealistisches Gegenüber negativ fixierte bürgerliche Position der Kunst (Lenz, Camille, Danton) in eine neue, politisch fundierte Ästhetik. Die Kunst steht im Dienst der sozialen Revolution, und Dantons Tod erscheint vor diesem Hintergrund als ein praktisches Manifest der neuen Kunst, die radikal mit der bürgerlichen Tradition bricht. Büchners Theater hat ein anspruchsvolles Programm, denn es begnügt sich nicht mit einer Kritik der Ideologie. Als Schule der Wirklichkeit will es ein neues "Sehen und Hören" lehren, mit der Ausbildung realistischer Sinne die Voraussetzung für kollektives politisches Handeln, für die Verwirklichung einer sozialen Revolution schaffen.
    Dramatische Reflexion über Geschichte

    Schon zu Beginn des Dramas erfährt Danton den Prozess der Revolution als einen fremdbestimmten Vollzug, der unausweichlich das eigene Leben als Opfer fordert. Für den Aktivisten der bürgerlichen Revolution fielen einst der Sinn des eigenen Daseins und der Sinn des revolutionären Geschehens noch unproblematisch zusammen. Noch seine Reden vor dem Revolutionstribunal reklamieren vergeblich das Recht des Namens, den Anspruch der historischen Persönlichkeit. Als Opfer der Revolution verliert Danton eine Identität, die sich ausschließlich aus dem politischen Handeln im öffentlichen Raum speiste. Der subjektive Anspruch des Individuums geht im objektiven Sinn der Revolution nicht länger auf. Der Sinnverlust erfasst nicht nur die Gegenwart, die die Einsicht in die historische Notwendigkeit des eigenen Todes fordert. Mit Hilfe der Theatermetapher reflektiert Danton vielmehr die prinzipielle Heteronomie geschichtlichen Handelns. Als groß erscheint das historische Individuum in dem Maße, wie es als Werkzeug einem fremden Gesetz der Geschichte unterworfen ist. Historische Größe ist also nicht länger ein Attribut der Person, sie entspringt einer zufälligen Übereinstimmung mit dem Bedürfnis einer eigenmächtig erscheinenden Geschichte. Wenn das politische Handeln im geschichtlichen Raum subjektiver Bestimmbarkeit entzogen ist, wird die Geschichtsmächtigkeit des Subjekts radikal in Frage gestellt. Die aus der Einsicht in die Aporien politischen Handelns resultierende Handlungsverweigerung setzt Danton frei für eine radikale Reflexion über Geschichte; er sucht nach einer Vermittlung von subjektivem Anspruch und objektivem Sinn, der in der Geschichte Gestalt gewinnt. Diese Suche aber ist identisch mit einem Prozess der Desillusionierung, der alle verfügbaren Legitimationen politischen Handelns im Horizont der Geschichte restlos entwertet. Die geschichtliche Figur Danton war prädestiniert zum Träger des historischen Diskurses im Drama. Die dramatische Figur besaß für Büchner eine eminent wichtige strategische Bedeutung. Der Autor projizierte die im Verlauf der Winterkrise 1833/34 entstandenen Zweifel an der Möglichkeit eines sinnhaften subjektiven Eingriffs in den historischen Prozess in die Kunstfigur Danton. Die menschlichen Verhältnisse, so Büchner im März 1834 in einem Brief an Minna Jaeglé, sind einer fremden unabwendbaren Gewalt unterworfen, die jede Selbstbestimmung als vermessen und absurd erscheinen lässt: "Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich." Die Entdeckung des "grässlichen Fatalismus der Geschichte" verdankt sich einem intensiven Studium der Geschichte der Revolution, in dessen Verlauf das bürgerlichidealistische Geschichtskonzept, das noch die Schülerreden Büchners durchgehend beherrscht, aufgegeben werden muss. Die Existenz eines von der Intention handelnder Subjekte unabhängigen historischen Verlaufs stellt das überkommene, vom jungen Büchner noch in Anspruch genommene Legitimationsmodell der bürgerlichen Geschichtsphilosophie in Frage: das große Individuum, eine idealistische Handlungstheorie, das Konzept der "Weltgeschichte" und eine Fortschrittstheorie, die auch der Französischen Revolution ihren legitimen Ort zuweist. Ein solches bürgerlichidealistisches Geschichtskonzept wird in Dantons Tod bezeichnenderweise von St. Just (43 ff.) und – in Ansätzen – von dem Ersten Herren in der Straßenszene (34) vertreten. Der historische Diskurs in Dantons Tod gewinnt seine Bedeutung auf drei Ebenen:

       1. Er erlaubt die ästhetische Objektivation einer von Büchner selbst erfahrenen Krise historischen Denkens, jenseits des Handlungszwanges der politischen Arbeit, die der Autor auch nach dem FatalismusErlebnis verstärkt fortführt. Die dramatische Reflexion der Krise ist dabei keineswegs identisch mit ihrer Aufhebung; der existentielle Grundzug der DantonFigur, die im Drama trotz ihrer politischen Borniertheit nicht denunziert wird, mag hierin eine Erklärung finden.
       2. Die selbstkritische Revision der eigenen geschichtsphilosophischen Position wird von Büchner in eine fundamentale Kritik der bürgerlichidealistischen Geschichtsauffassung überführt. Der historische Diskurs des Dramas ist hierin dem ästhetischen, der eine Kritik der bürgerlichidealistischen Kunst betreibt, vergleichbar.
       3. Ausgehend von dem unvermeidlichen Scheitern der sozialen Revolution und den unaufhebbaren Aporien politischen Handelns, sucht Büchner in Dantons Tod mit der transzendental gerichteten Reflexion über Geschichte nach der Bedingtheit menschlichen Handelns im historischen Raum. Die Entfremdung vom geschichtlichen Prozess der bürgerlichen Revolution ist der geheime Bezugspunkt der fundamentalen Existenzkrise, die Danton im Drama durchlebt. Die mit der Dantonfigur thematisierten philosophischen Konzepte einschließlich des Nihilismus gewinnen keine eigenständige Funktion, sie entfalten ihre Bedeutung erst auf der Ebene des historischen Diskurses.

    Die schon in der ersten Szene angelegte Problematisierung der Zeitkategorie, die den Anachronismus der eigenen Existenz in der Divergenz von historischer und persönlicher Zeit formuliert (8), wird zu Beginn des zweiten Aktes wieder aufgenommen. Camilles drängende Forderung: "Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu verlieren", bescheidet Danton lakonisch: "Aber die Zeit verliert uns" (29). Die Langeweile und das Gefühl eines Ennui sind unverkennbar Folgen des historischen Sinnverlusts der eigenen Existenz, der die Routine alltäglicher Verrichtungen als absurd erscheinen lässt. Der pensionierte Revolutionär findet die Ruhe nicht, die er vorgeblich sucht. Aus der Bahn der Geschichte geworfen, verfällt Danton dem Zweifel an ihrem Sinn wie am Sinn der menschlichen Existenz überhaupt. In der Metapher des Welttheaters formuliert der resignierte Akteur die Entfremdung des Menschen vom geschichtlichen Prozess, und die Sinnlosigkeit der Geschichte wird unvermittelt auf die individuelle Existenz übertragen: "das ist mir der Mühe zuviel, das Leben ist nicht die Arbeit wert, die man sich macht, es zu erhalten" (31). Unterstellt Danton zunächst einen anthropologischen Defekt (30) als Ursache für die katastrophale Bilanz der menschlichen Geschichte, so gelangt er in der Straßenszene zu einer grundlegenden Erweiterung der Anthropologie historischer Subjekte. "Ich wittre was in der Atmosphäre; es ist, als brüte die Sonne Unzucht aus. – Möchte man nicht drunter springen, sich die Hosen vom Leibe reißen und sich über den Hintern begatten wie die Hunde auf der Gasse?" (33.) Danton reklamiert in seinem vitalistisch anmutenden Protest die Fülle des Lebens gegen die zivilisatorische Einschränkung der menschlichen Natur. Der subjektive Faktor erscheint damit in Büchners Revolutionsstück in einer neuen, antiidealistischen Gestalt. Die Körperlichkeit, die Triebnatur und die Bedürfnisse des Leibes werden in die Darstellung der historischen Akteure umfassend einbezogen. Aber der Büchners Zeitgenossen irritierende sexuellobszöne Diskurs dient nicht allein der Destruktion geschichtlicher Helden, er verleiht zugleich einer Revolte der Subjektivität Ausdruck, die gegen den geschichtlichen Zwang das Recht auf die volle Entfaltung der menschlichen Natur setzt. Der Gestus des Obszönen demonstriert allerdings die spezifische Deformation einer gesellschaftlich tabuisierten Sinnlichkeit. Die Revolte bleibt eigentümlich ziellos; sie wird im "Lachen" (34) aufgehoben, das aufs neue die absurde Dimension in der gesellschaftlichen Existenz des Menschen zum Vorschein kommen lässt.

    Der ausdrücklich als ziellos ausgewiesene Weg Dantons (36) findet seine Entsprechung in der verzweifelt kreisenden Bewegung der geschichtlichen Reflexion, die ihn umtreibt. Der Tod als nahende Aufhebung des Hier und Jetzt der individuellen Existenz gibt der Sinnsuche des politischen Flaneurs eine zunehmend rückwärtsgewandte Tendenz. Neben das kollektive Gedächtnis der Geschichte tritt unfreiwillig das private Gedächtnis des politischen Individuums, das dem Erinnerungszwang im Gedächtnisschwund des Todes zu entrinnen hofft. Die private Aneignung der politischen Existenz, die bereits Dantons Monolog auf dem "freien Feld" (II,4) bestimmt, verstärkt sich noch in dem unmittelbar folgenden Gespräch mit Julie (II,5). So führt der Sinnverlust der Geschichte im Fall der Septembermorde des Jahres 1792 zu einer Verzweiflung am eigenen politischen Handeln, das jetzt im Zeichen der Schuld vor der Instanz des Gewissens aufgerufen wird. In halluzinatorischen Phantasien von dem Schrei seiner Opfer verfolgt, erfährt Danton im erträumten Ritt auf der Erdkugel den "grässlichen Fatalismus der Geschichte". Die in beinahe katechetischer Form vorgenommene Entschuldung Dantons endet konsequent in einer Art Notwehrlegitimation (39). Ein universaler Befehlsnotstand bestimmt das Verhältnis des Menschen gegenüber dem "ehernen Gesetz" der Geschichte. Der Mensch ist das blinde Werkzeug einer historischen Notwendigkeit, die ihm in Form von Handlungszwängen fremd und fordernd entgegentritt. Mit seiner negativen Reflexion über das "Muß" der Geschichte formuliert Danton deutlich die Antithese zu der von St. Just vertretenen idealistischen Geschichtsphilosophie, die den historischen Prozess als eine fortschreitende Realisierung der Vernunft begreift. Diese Antithese erschöpft sich indessen in einer einfachen Negation, die die Geschichte selbst einer zunehmend nihilistischen Verzweiflung preisgibt. Die nihilistische Dimension gewinnt im Verlauf des Dramas zunehmend an Bedeutung; sie bleibt jedoch bis zum Schluss auf den negativen historischen Diskurs bezogen. Das Nichts artikuliert noch immer das Bedürfnis nach einer Verdrängung der eigenen Geschichte (vgl. III,7). Die Hoffnung auf eine vollständige Vernichtung des Ich wird durch eine materialistische Interpretation des organischen Todes widerlegt.

    Die Ruhe im Tod als dem Übergang ins Nichts bleibt daher ein unerfüllbarer Wunsch: "Da ist keine Hoffnung im Tod, er ist nur eine einfachere, das Leben eine verwickeltere, organisiertere Fäulnis, das ist der ganze Unterschied!" (61.) Auch die "Phrasen für die Nachwelt" (72) und die verbliebenen Masken der politischen Existenz geben den Todeskandidaten keinerlei Halt. Selbst die Religion als Versuch einer transzendenten Auflösung der irdischen Verzweiflung an der Geschichte versagt (72 f.). Die Fragen der Dantonisten nach dem Sinn ihres Opfers, nach dem Zusammenhang ihrer individuellen Existenz mit dem historischen Prozess der Revolution, bleiben ohne Antwort. "Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott" (73). Der Nihilismus ist der konsequente Schlussstein der historischen Reflexion Dantons, der jede Sinngebung für die Geschichte und die gesellschaftliche Existenz der Menschen versagt bleibt. Die Vermittlung von subjektivem Anspruch und objektivem Sinn scheitert, sowohl im Hinblick auf die Revolution wie auf die Geschichte überhaupt. Der historische Diskurs endet radikal negativ. Dem Tod, der eine letzte Konvergenz von historischem Prozess und individueller Existenz erzwingt, fehlt jeder einsehbare objektive Sinn. Die Geschichtsreflexion bleibt nicht nur auf der Ebene des avancierten Figurenbewusstseins (Danton) negativ; das Stück selbst verweigert jede Form ästhetischer Versöhnung. Das Drama verharrt in der Negation des idealistischen Geschichtskonzepts, das die soziale Identität des Bildungsbürgertums im 19. Jahrhundert noch entschieden geprägt hat. Geschichte erscheint in Dantons Tod als eine transzendentale, auf die Bedingungen politischen Handelns gerichtete Reflexionskategorie. Ein neues, etwa materialistisch fundiertes Geschichtskonzept kommt nicht in Sicht. Das Drama negiert das bildungsbürgerliche Geschichtskonzept auch durch seine Form. Als Geschichtsdrama ist es negativ auf die zeitgenössisch vorherrschenden Muster der Gattung bezogen. Die große Mehrzahl der historischen Dramen zwischen Restauration und Märzrevolution sucht unermüdlich die Unvernunft der geschichtlichen Empirie zu überlisten, indem sie – durchaus in der Absicht, die politische Gegenwart vernünftig zu reformieren – im historischen Stoff den "Gang der Weltvernunft zu ihrem Endziel" proklamiert. Dantons Tod ist in erster Linie ein Drama der politischen Existenz. Im historischen Diskurs ergänzt Büchner die politische Ideologiekritik um eine Kritik der bürgerlichidealistischen Geschichtsauffassung, die das politische Handeln der bürgerlichen Revolutionäre im Horizont einer temporalisierten Vernunft und Fortschrittskonzeption zu rechtfertigen versucht. An dem Scheitern der Vermittlung von Geschichte und Subjektivität wird unnachgiebig festgehalten. Vor allem widersteht Büchner der Versuchung, der beklagten Negativität des historischen Denkens eine philosophische Krone aufzusetzen.

    Die philosophische Reflexion in Dantons Tod mündet gerade nicht in ein System mit pessimistischer oder gar nihilistischer Tendenz. Seine fordernde Aktualität behält Büchners Werk gerade wegen seiner konsequenten Verweigerung von Geltungsansprüchen eines abstrakten philosophischen Allgemeinen, gegen das radikal die Rechte einer Subjektivität jenseits der bürgerlichen Konzeption des großen historischen Individuums ins Feld geführt werden. Neben dem politischen Realismus hat wohl die für Büchner charakteristische uneingeschränkte Verteidigung der Lebenswelt gegenüber allen abstrakt formulierten Imperativen des politischsozialen und des kulturellen Systems am wenigsten ihre Bedeutung eingebüßt. Im übrigen hält das im Mikrokosmos von Dantons politischer Existenz entwickelte negative Geschichtsverständnis bereits Momente der modernen Erfahrung einer Auflösung von "Geschichte" fest; die Intentionalität handelnder Subjekte ist für die moderne Geschichtsreflexion längst nicht mehr unproblematisch mit dem Funktionszusammenhang historischer Prozesse zu vermitteln.
    Liebe und Revolution – Zur Funktion des Privaten in Dantons Tod

    Das nihilistische Extrem des historischen Diskurses markiert eine Art Nullstufe des gesellschaftlichen Bewusstseins, das erst jenseits der öffentlichen Sphäre politischen Handelns einen Ansatz zu neuer Entfaltung findet. Eine sinnhafte Aneignung des Todes gelingt allein im Bereich der privaten Existenz, im Zusammenhang einer in die Lebensgeschichte des Individuums eingebundenen Liebesbeziehung. Dem restlosen Scheitern öffentlicher Beziehungen wird in Dantons Tod auf provozierende Weise das Gelingen privater Bindungen in Liebe und Freundschaft gegenübergestellt.

    Die Funktion der Privatsphäre im Drama der politischen Revolution hat besonders in jüngster Zeit das Interesse der Forschung hervorgerufen.

    Von den drei Frauenfiguren, deren Existenz am Rande der Geschichte die Sphäre der privaten Beziehungen prägt, hat besonders Marion – im Gegenzug zu früheren moralisch bestimmten Verzeichnungen – eine entschiedene Aufwertung erfahren. Die Grisette aus dem Palais royal erscheint Reinhold Grimm als eine "Inkarnation sexueller Befreiung als das fleischgewordene Lustprinzip". Mit der in Marion gestalteten "erotischen Revolution" trete Büchner – Freud, Reich und Marcuse vorausgreifend – den Kampf gegen die Tabuisierung der Sexualität an, proklamiere er eine "Liebesutopie": ein Konzept befreiter, naturhafter Liebe mit dem Recht auf freie Partnerwahl. Trotz der Freude über den wahrlich befreienden Fund einer Sexualutopie, über die programmatische Ausrufung eines Reiches der Sinne in der ansonsten eher düsteren Kulisse der politischen Revolution drängt sich jedoch die Frage auf, ob die unverkennbar projizierende Aufwertung Marions zu einer Kultfigur der sinnlichen Emanzipation nicht wichtige Relativierungen übersieht oder unterschätzt, denen diese im Drama unterworfen wird; ob so nicht einfach die negative Verzeichnung durch eine positive Umstilisierung der Figur in ihr Gegenteil verkehrt wird. Eine angemessene Deutung der Marion hätte insbesondere die Qualität des "Bruches" genauer zu bestimmen, den Marion in ihrer Lebensgeschichte erfahren hat. Dieser Bruch ist keineswegs allein die Folge einer bestimmten, regressiven Form der Vergesellschaftung von Sinnlichkeit, sondern er ist bereits in der restlosen, das Moment der Freiheit entbehrenden Hingabe an die eigene Natur als Triebnatur und in der daraus zwingend folgenden Unfähigkeit Marions zu einer genuin gesellschaftlichen Befriedigung der sich fürs Ganze der Natur setzenden sexuellen Bedürfnisse begründet. Weit eher als die sexuelle Emanzipation wird in Marion die asoziale Natur, die gescheiterte Vermittlung von Natur und Gesellschaft, thematisiert. Die absolute Bindungslosigkeit, die in der Dirnenexistenz die einzig mögliche soziale Lebensform findet, ist ein (zu) hoher Preis für eine zwanghafte "Befreiung" der Sinnlichkeit. Die Marionfigur gehört in den Zusammenhang des anthropologischen, im Stück zumeist sexuellobszön vermittelten Diskurses, der, analog zum politischen Diskurs, die ungelöste Aporie vergesellschafteter Natur problematisiert.

    Marion fungiert keineswegs als ein utopisch intendiertes Gegenbild. Ihre vermeintlich unbedingte Übereinstimmung mit sich selbst schuldet sie in Wahrheit einer unfreiwilligen Vereinseitigung der menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten.

    Als "ein Stück Natur" verkörpert Marion nicht nur "den verlorenen Naturzustand [.. .] in der Geschichte", sondern in gleichem Maße die Geschichtslosigkeit einer Natur, die jede Form der Vergesellschaftung zwanghaft verweigert. Was Danton an Marion erfährt, ist durchaus ambivalent. Marions Schönheit löst in ihm, der unterwegs ist, "die Mediceische Venus stückweise bei allen Grisetten des PalaisRoyal" zusammenzusuchen (18), ein Bedürfnis nach totaler Verschmelzung aus, dessen Befriedigung ihm gleichwohl vorenthalten bleibt.

    Danton, der das Ganze der Schönheit sucht, findet in Wirklichkeit nur einen ihrer Teile, der sich für das Ganze setzt und ihm gerade dadurch schmerzhaft die Entbehrung des Ganzen vor Augen führt. Die paradox gefügte Metapher: "deine Lippen haben Augen" (20) bezeichnet nicht nur Dantons Unfähigkeit zur völligen sinnlichen Hingabe, zeigt nicht nur die unvermeidlich reflexive Vermittlung des Erlebnisses sinnlicher Entgrenzung. Sie indiziert umgekehrt auch Marions Reduktion der menschlichen Natur auf ihre körperlich-sinnliche Dimension, die bei Danton gerade vermieden ist. Der Anspruch auf Totalität wird von Danton auch in seiner reflexiven Brechung voll aufrechterhalten; seine fehlende praktische Einlösung bleibt ihm jederzeit – mental und physischsinnlich – schmerzhaft bewußt. Die Begegnung mit der zeitlosstatischen Marion-Figur hat auf Dantons letztem Weg den Charakter einer bedeutenden Episode. So wie der Protagonist auf der Ebene des politischen und des historischen Diskurses die gescheiterte Vermittlung von Subjektivität und Geschichte erfährt, so erfährt er an Marion die falsche Unbedingtheit einer nur unzureichend mit der Gesellschaft vermittelten Natur. Natur und Geschichte erscheinen so gerade im Scheitern ihrer Vermittlung mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen des Menschen kritisch aufeinander bezogen. Marion ist die unbedingte Hingabe in der Liebe zu einem anderen Menschen notwendig versagt. Sie bleibt ohne wirklichen Bezug zur Lebensgeschichte Dantons, der für sie nur eine mögliche Besetzung des "einen Gegensatzes" darstellt, der ihr Leben beherrscht: "Alle Männer verschmolzen in einen Leib" (19). Gerade hierin unterscheidet Marion sich von den beiden anderen Frauenfiguren in Dantons Tod, deren ganze Existenz auf das Leben des Geliebten ausgerichtet ist. Gleich zu Beginn des Dramas wird deutlich, dass Julie ihre Identität ganz auf ihre Beziehung zu Danton gründet. Die Privatheit ihrer Lebensform, jenseits der öffentlichen Rollenspiele der Politik, aber auch jenseits der witzigen Sprachspiele der Pointen, und die kompromißlose Beschränkung auf die intime Beziehung zum geliebten Partner ermöglichen Julie und nicht minder Lucile eine Existenz im Schatten der Geschichte.

    Danton zeigt sich zunächst überfordert durch die einfache, unverstellte, vertraute Ansprache Julies. Er weicht aus, flüchtet ins Allgemeine; statt des "ich" wählt er das kollektive "wir" als Subjekt seiner begründeten Zweifel an den Prämissen gelingender zwischenmenschlicher Kommunikation (5). Und doch gewinnt Julie auf seinem letzten Weg zunehmend an Bedeutung. Die Rückkehr in den intimen Diskurs der privaten Existenz steht sichtlich in Zusammenhang mit dem Sinnverlust der öffentlichen Existenz und der drohenden Nähe des eigenen Todes, der im Rahmen des politischen und historischen Diskurses der Revolution als ein sinnloses Opfer erscheint. In Julie findet Danton eine bedingungs- und grenzenlose Geborgenheit. Bereits in der Grabmetapher der ersten Szene, die Danton auf einem Schemel zu Füßen Julies zeigt, werden die Ruhe und die Geborgenheit, die Julies Liebe Danton verschafft, auf den Tod bezogen (5 f.). Die Tröstung, die Julie dann später dem von Schuldvorwürfen gemarterten Danton zukommen lässt, kennt zwar durchaus eine politische Dimension (vgl. 38 ff.), die beruhigende Ansprache ist aber in einem auf die Lebenswelt der privaten Existenz bezogenen Realitätsgefühl gegründet (39). Das intime Einverständnis der beiden wird schließlich in der gelingenden Kommunikation über die gemeinsame Bewältigung des Todes sichtbar. Unmittelbar im Anschluss an die enttäuschte Hoffnung auf eine vollständige Vernichtung im Tod gedenkt Danton seiner Frau: "O Julie! Wenn ich allein ginge! Wenn sie mich einsam ließe! – Und wenn ich ganz zerfiele, mich ganz auflöste: ich wäre eine Handvoll gemarterten Staubes, jedes meiner Atome könnte nur Ruhe finden bei ihr" (62). Julie kennt Danton.

    "Er würde nicht allein gehn", lässt sie ihm ausrichten (65). Danton versteht: "Ich werde nicht allein gehn: ich danke dir, Julie!" Wohl hätte er anders sterben mögen, "so wie ein Stern fällt, wie ein Ton sich selbst aushaucht, sich mit den eignen Lippen totküßt, wie ein Lichtstrahl in klaren Fluten sich begräbt." (67 f.) Doch weiß Danton jetzt um die Mühen des Todes, und er weiß, gemeinsam mit Julie, dem Sterben eine menschliche Form zu geben. Im Tod erst findet Danton zurück zu einer Identität im Leben, die der eigenen Geschichte jenseits öffentlicher Rollen einen unbezweifelbaren Sinn verleiht. Auch Luciles Existenz steht ganz im Zeichen ihrer Liebe zu Camille. Stärker noch als Julie tritt sie der öffentlichen Sphäre der Politik fremd und verständnislos entgegen. Das politische Geschehen reduziert sich für sie auf die Frage nach dem Sinn des Opfers, das ihr im Verlust des Geliebten zugemutet wird (36 f.). Lucile verweigert dem öffentlichen Tod, der absurden politischen Realität der Terreur jeden Sinn, sie sperrt sich gegen die vernünftige Legitimation der Unvernunft. Ihr hellsichtiger Wahn, der in der Realität ihres Gefühls zu Camille gegründet ist, wird derart zum menschlichen Maß der Inhumanität und der Unvernunft der bürgerlichen Revolution: "Der Himmel verhelf ihr [Lucile] zu einer behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche man die gesunde Vernunft tauft, sind unerträglich langweilig" (71).
    Einzig im Wahn Luciles bricht sich die Empörung über den absurden Ernst des Todes, über die öffentliche Hinnahme sinnlosen Sterbens Bahn. Luciles Schrei bleibt indes ohne Antwort. Sie schickt sich ins Unvermeidliche und sucht, wie Julie, den gemeinsamen Tod mit dem Geliebten. Doch gelingt ihr, der Unpolitischen, mit der Inszenierung des eigenen Todes eine grandiose Provokation, die den politischen Wahnsinn der staatlich gelenkten Todesmaschinerie wirksam unter Beweis stellt (77). Eine politische Phrase, ein ritualisiertes Erkennungszeichen, das Lucile mechanisch, ohne jeden Bezug auf ihre individuelle Existenz, öffentlich gebraucht, setzt berechenbar den grausamen Apparat der Massentötung "im Namen der Republik" in Gang. Hier erreicht die Revolte des Subjekts gegen die vernünftige Unvernunft des Allgemeinen ihren absurden Höhepunkt. Erst jetzt, in der provozierend privaten Inanspruchnahme des öffentlichen Terrors, gelangt der politische Diskurs über die Gewalt in der bürgerlichen Revolution zu seinem unmissverständlichen Ende. Mit dem politisch inszenierten Selbstmord setzt sich die private Existenz unübersehbar in einen radikal kritischen Bezug zur politischen Revolution. Die Sphäre der privaten Existenz fungiert keineswegs als ein unverbindlicher Fluchtraum im Drama der politischen Revolution. Sie ist kritisch auf den politischen Diskurs des Stücks bezogen. Die private Existenz gewinnt als bestimmte Negation der öffentlichen Sphäre selbst eine politische Qualität. Zudem zeigt die Privatsphäre im Ansatz das Gelingen genuin gesellschaftlicher Beziehungen. Liebe und Freundschaft sind soziale Beziehungsformen, in denen die Aufhebung von Entfremdung und Isolation möglich scheint. Diese Aufhebung wird im Drama als eine zweifach bedingte gezeigt: sie vermag allein im quasi außerpolitischen Raum der privaten Existenz zu gelingen, und sie steht deutlich im Zeichen der Aneignung des Todes. Auch Julie und Lucile sind Opfer der Geschichte, doch transzendiert ihr Leiden den öffentlichen Zwang der Politik.
    In ihrer freien Entscheidung zum gemeinsamen Tod mit dem Geliebten gewinnt der Tod mit den Momenten der Freiheit und des Einverständnisses eine menschliche Dimension zurück. Einzig auf privater Ebene kommt eine Vermittlung von subjektivem Anspruch und intersubjektivem Sinn zustande.

    Die Liebe erscheint im Drama nicht als Idee, sondern als eine Praxis gesellschaftlichen Handelns; die in ihr begründete Identität ist eine soziale Identität.

    Die von Julie und Danton, von Camille und Lucile gelebte Liebe entwirft – in kleinster Größe – das Modell einer alternativen gesellschaftlichen Existenz. Dieses Gegenbild entfaltet seine volle Bedeutung allerdings erst dann, wenn die Dialektik von privater und öffentlicher Sphäre nicht einseitig aufgelöst wird. Als praktische Kritik bleibt der gesellschaftliche Entwurf jederzeit auf.

  • Dantons Tod Inhaltsangabe Zusammenfassung

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    Inhaltsangabe/Zusammenfassung Dantons Tod

    Der Beginn des ersten Akts zeigt Danton mit seiner Frau Julie in einem Spielsalon. Am Spieltisch beklagen einige Deputierte des Nationalkongresses den Revolutionsterror und beschwören ihr Ideal einer freien Republik. Danton äußert seine politische Resignation: "die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei verbrennen."


    In der zweiten Szene wird das Elend des Volkes illustriert: Simon schlägt seine Frau, weil sie zulässt, dass ihre Tochter die Familie durch Prostitution ernährt. Bürger beobachten die Szene und lenken den Volkszorn auf die Aristokraten: "Totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat! … Totgeschlagen, wer lesen und schreiben kann!" Robespierre tritt auf und präsentiert die Jakobiner als Anwalt des Volkes. Ihre "Solidarität" besteht in der Ermordung der Volksfeinde.
    Die folgende Szene spielt im Jakobinerklub und hat ihren Höhepunkt in Robespierres Plädoyer für die Fortsetzung der Gewalt: "Die Waffe der Republik ist der Schrecken". Eine Zwischenszene zeigt das Klima des Terrors und der Angst im Gespräch der Nationalkonventsdeputierten Legendre und Lacroix.
    Im Kontrast dazu erscheint in der fünften Szene Danton fern vom politischen Geschehen, in Leidenschaft versetzt durch die Prostituierte Marion. Sein Freund und Anhänger Lacroix kommt und warnt ihn vor dem Wiederaufleben des Terrors. Danton fühlt sich unangreifbar, beschließt aber dennoch, das Gespräch mit Robespierre zu suchen.


    Der erste Akt findet seinen Höhepunkt und Abschluss in der Auseinandersetzung zwischen Robespierre und Danton: Danton spricht sich gegen die Fortsetzung des Terrors aus und wirft Robespierre eine scheinheilige Moralität vor, deren Zweck die Ausschaltung seiner Gegner ist: "Robespierre, du bist empörend rechtschaffen." Nach Dantons Abgang beschließt Robespierre, ihn und seine Anhänger zu beseitigen; seine Rolle sieht er als die eines Erlösers unter umgekehrten Vorzeichen: "Jawohl, Blutmessias, der opfert und nicht geopfert wird."

    Zu Beginn des zweiten Akts erscheinen Dantons Anhänger, um ihn vergeblich zur Flucht zu drängen.
    In der zweiten Szene wird eine Alltagssituation als Straßenpanorama entworfen: kurioser Revolutionsenthusiasmus, Männer, die um Frauen werben (unter ihnen als lustvoller Beobachter Danton), und naiver Fortschrittsoptimismus stehen nebeneinander.
    In der folgenden Szene eröffnet Danton dem Ehepaar Lucile und Camille, dass seine Verhaftung beschlossen wurde. Dennoch trifft er keine Anstalten zur Flucht: "Ich bin nicht träg, aber müde."


    Die vierte Szene auf freiem Feld ist ein Reflexionsmonolog, der Dantons spielerische Todessehnsucht zum Ausdruck bringt: "Ich kokettiere mit dem Tod."
    Die folgende Szene zeigt Danton mit Julie. Danton ist von einem Alptraum erwacht; verzweifelt sieht er die Menschen als Spielbälle ihrer inneren Gewalttätigkeit.
    In der nächsten Szene erscheinen Bürgersoldaten zur Verhaftung Dantons.


    Der zweite Akt endet mit einer Szenen im Nationalkonvent, wo Robespierre und St. Just diese Verhaftung rechtfertigen und Legendres Antrag auf Anhörung Dantons abzuschmettern versuchen. Die Szene endet im Absingen der Marseillaise.

    Der dritte Akt behandelt den Prozess gegen Danton. Er beginnt im Palais Luxembourg, das als Gefängnis umfunktioniert ist. Dort sitzen die Revolutionäre Chaumette, Payne, Mercier und Hérault Séchelles und diskutieren atheistische und materialistische Philosophien. Danton und seine Anhänger werden eingeliefert. Camille äußert seine Enttäuschung über ihr politisches Scheitern.
    Die folgende Szene zeigt, wie der öffentliche Ankläger Fouquier Tinville und Herman, ein Präsident des Revolutionstribunals, die Geschworenenauswahl für Dantons Prozess manipulieren.


    In der dritten Szene, in der Conciergerie, beklagt sich Danton über das von ihm geschaffene Revolutionstribunal: gegründet, um Unschuldige zu retten, ist es nun ein Instrument des Justizmords.


    Vor diesem Revolutionstribunal spielt die nächste Szene: Danton wird der revolutionsfeindlichen Konspiration beschuldigt. Er fordert ein Verhör vor den Ausschüssen und rechtfertigt seine Verteidigung wirkungsvoll als "Nationalkühnheit". Die Versammlung beklatscht seinen Patriotismus, so dass der Vorsitzende die Sitzung nur mit fadenscheinigen Gründen aufheben kann. Die "Verschwörung" eines inhaftierten betrunkenen Generals zur Befreiung Dantons in der fünften Szene wird in der anschließenden Szene von St. Just als brauchbares Mittel gegen Danton bewertet.
    Die siebte Szene, wieder in der Conciergerie, zeigt Danton erneut in Lethargie: er sucht Ruhe, aber nicht in Gott, wie Philippeau vermutet, sondern im "Nichts".
    Die nächste Kurzszene bringt die Übermittlung der Denunziation.


    In der neunten Szene gelingt es Danton vorläufig, die Sitzung vor dem Revolutionstribunal für sich zu nutzen: "ich werde mit der Kanone der Wahrheit hervorbrechen und meine Feinde zermalmen." Die Stimmung in der Versammlung scheint günstig: "Es lebe Danton, nieder mit den Dezemvirn!"
    Doch in der letzten Szene des dritten Akts, vor dem Justizpalast, genügt das "Argument" eines Bürgers, Danton sei ein wohlhabender Fresser, Säufer und Lustmolch, um den Volkshaufen für Robespierre zu gewinnen.

    Der vierte Akt eröffnet mit Julie, die Danton über einen Knaben eine Locke von sich schickt.
    In der zweiten Szene rechtfertigt Dumas, wie Herman ein Präsident des Revolutionstribunals, gegenüber einem Bürger das bevorstehende Todesurteil als Opfer für das Vaterland.
    Die Opfer werden in der folgenden Szene, in der Conciergerie, gezeigt. Vor der Hinrichtung greift Camille zu einer Erbauungsschrift als Trostmittel, Danton dagegen zu Voltaires Spottwerk über die heilige Jungfrau von Orléans.
    In der nächsten Szene, auf dem Platz vor der Conciergerie, erscheint Camilles Frau Lucile, vor Entsetzen in geistige Verwirrung versetzt, vor dem Fenster der Gefangenen.

     
    In der Conciergerie, in der fünften Szene, nehmen die Dantonisten Abschied voneinander.
    In der sechsten Szene begeht Julie Selbstmord.
    Der Rest des Dramas gehört der Hinrichtung: in der siebten Szene werden die Gefangenen auf den Revolutionsplatz geführt. Für das Volk ist die Hinrichtung eine Ablenkung von existentiellen Sorgen; eine Frau sagt: "Die Kinder schreien, sie haben Hunger. Ich muss sie zusehen machen, dass sie still sind." Die letzten beiden Szenen zeigen Lucile, die durch die Straßen irrt und von der vollzogenen Hinrichtung hört. Zugleich muss sie sehen, wie der Alltag über diese Katastrophe hinweggeht. Am Revolutionsplatz schließlich verurteilt sie sich selbst zum Tod, indem sie den König hochleben lässt: Am Ende wird sie abgeführt ein Bürger ruft: "Im Namen der Republik!"

  • Zusammenfassung/Inhaltsangabe – Die Leiden des jungen Werther

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    Die Leiden des jungen Werther

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    Zusammenfassung/Inhaltsangabe Die Leiden des jungen Werther

    Der junge 17-jährige Edgar Wibeau ist ein Vorzugsschüler einer im dritten Jahr der Berufsschule in Mitterndorf mit einem Notenschnitt von 1,1. Er scheint ein friedlicher Mensch zu sein, doch es stauen sich Aggressionen in ihm auf, die er aber nicht zeigt. Doch in einer Werkstunde, als die Klasse eine Eisenplatte feilen sollte, spricht ihn sein Lehrer Flemming an, und meint, er habe seine fertige Eisenplatte aus dem Automaten gedrückt. Dabei verwendet er den Namen „Wibau“, der Edgar verhasst ist. Er gerät in rage und lässt seine Eisenplatte genau auf Flemmings Fuß fallen, was zum Bruch eines Zehs führt. Dieses Ereignis veranlasst Ed, wie ihn alle seine Bekannten nennen, auch, von zuhause abzuhauen. Fest entschlossen zieht er nach Berlin in einen Altbau, der abgerissen werden soll. Er, als ein Bücherwurm, hat jedoch keinen „Stoff“, den er lesen könnte. Zum Glück findet er zufällig ein Buch, besser gesagt ein Heft, und zwar „Die Leiden des jungen Werther“. Dieses Buch beeinflusst ihn die ganze Geschichte über sehr. Eines Tages trifft er eine junge Frau namens Charlotte, die ihm sofort gefällt. Die jedoch verlobte Kindergartentante will zuerst von ihm nichts wissen, da sie glaubt, er sei ein Gammler. Als er mit ihr ins Gespräch kommt, prahlt er mit seinen Malkünsten, doch sie meint nur, er könne nicht zeichnen. Über die ganze Zeit hinweg schickt Ed Briefe mit Kassetten an seinen besten Freund Willi, der auch in der gleichen Klasse ist wie er, die nur Zitate des Buches „Die Leiden des Jungen Werthers“ enthalten, die gerate seine Situation schildern. Als sich Ed und Charlie zufällig wieder treffen, beginnt er wieder von seinen Zeichnungen zu reden. Charlotte möchte ihm aber beweisen, dass er nicht malen kann, und schlägt ihm deshalb vor, eine Wand im Kindergarten anzustreichen. Er nimmt das Angebot an und kommt am nächsten Tag in den Kindergarten. Da er aber weis, dass er wirklich nicht zeichnen kann, fragt er die Kinder, ob sie nicht wollen. Die Kleinen sind natürlich begeistert und fangen sofort an. Am nächsten Tag kommt Charlotte zu ihm nach Hause und möchte seine Gage geben. Er nimmt es aber nicht an, da er nicht möchte, da sie ihn als Armen ansieht. An diesem Tag möchte Charlie noch einmal  beweisen, dass er nicht zeichnen kann, und bittet ihn daher um ein Portrait. Er malt sie nicht, sondern macht nur ein Schattenbild von ihr. Als sie geht, wollte Ed wieder eine Kassette an Willi schicken, doch er hat keine Kassetten mehr, darum beschließt er, Arbeit zu suchen. Er findet auch gleich einen Job am Bau. Dort arbeitet er unter anderem mit dem jungen Addi und dem sympathischem 70-jährigem Zaremba zusammen. Er wird als Färber eingeteilt. Nach einiger Zeit kommt ihm eine geniale Idee: Eine Farbspritze, die keine Dämpfe verursacht. Er möchte sie auch bauen, doch der erste Versuch ist ein totaler Misserfolg. Dadurch beginnen Probleme mit Addi und er kündigt. In der Zwischenzeit ist Ed oft im Kindergarten und spielt mit den Kleinen, um Charlie nicht zu verlieren. Nach ungefähr einer Woche kommen seine alten Arbeitskollegen zu ihm nach Hause und bieten ihm an, wieder bei ihnen zu arbeiten. Er nimmt an, und in dieser Zeit ändert er sich vom Frechling in einen braven Arbeiter. Er geht sogar manchmal sonntags mit seinen Arbeitskollegen kegeln. Eines Tages als Charlotte wieder bei ihm war, kehrt ihr Verlobter Dieter, der bei der Armee war, wieder zurück. Ed, der sich sozusagen in Charlie verkuckt hat, fängt sofort eine Wortkonfrontation an. Doch Charlotte und Dieter verlassen ihn blitzartig. Nach einigen Wochen schickt Ed ihr eine Kassette, wie immer mit einem Zitat aus seinem Buch. Er bekommt auch gleich eine Antwort mit einer Einladung zu ihr nach Hause. Als er das zitternd ließt, überlegt er kurz, doch geht sofort zu ihr. Nicht überraschend war auch Dieter zuhause, doch Ed hielt sich zurück, und sie wurden mehr oder weniger Freunde. Das macht Charlie natürlich sehr froh, und sie beschließen, am nächsten Sonntag zusammen einen Ausflug zu unternehmen. Am nächsten Sonntag weigert sich Dieter jedoch, und es kommt zu einem Streit zwischen seiner nun schon verheirateten Frau und ihm. Also gehen Charlie und Ed alleine. Sie beschließen, ein Boot zu mieten, und eine Rundfahrt zu machen. Nach einer Weile machen sie eine Pause und sie küssen sich. Bei der Rückfahrt spricht Charlie nichts und läuft dann auch gleich davon. Am nächsten Tag, ein Tag vor Weihnachten, bekommt Ed einen Brief von Willi, seinem Freund, der ihm schreibt, dass seine Mutter ihn besuchen kommen wird, da er ihr seine Adresse geben hat müssen. Das versetzt Ed unter Zeitdruck, da er noch immer mit seiner neuen Farbspritze nicht fertig ist. Er beschließt, den ganzen 24. Dezember blau zu machen, um sie fertig zu machen. Er arbeitet bis in die Nacht. Als er glaubt, dass er alles fertig hat, probiert er sie aus, der Motor entwickelt durch einen Defekt unglaubliche Spannung, und er stirbt.